Ein Bauwerk bewahrt bewegte Zeiten
Manfred Pilz, Dresden, erzählt von dem beschwerlichen Weg zur Wiederherstellung des Taschenbergpalais in Dresden
Kaum zu glauben, was ein historisches Gebäude der Nachwelt preisgibt, wenn man seiner Geschichte auf den Grund geht. Im Mittelpunkt des Vortrages von Manfred Pilz beim Hoyerswerdaer Kunstverein stand das Taschenbergpalais in Dresden, betrachtet in seiner Historie, in seinem Wandel im Lauf der Jahrhunderte und in der Zeit von der Zerstörung bis zum Wiederaufbau. Sein Standort: mitten im Stadtzentrum von Dresden, zwischen Schloss und Zwinger.
Den Namen Taschenbergpalais verdankt das Gebäude dem ursprünglich etwa 5 m hohen Taschenberg, der zur Schlossseite Richtung Elbe abfällt und somit vor Hochwasser ziemlich sicher war. Deshalb wurde das Gelände schon im 16. Jahrhunderts bebaut. 1705-1708 wurde hier das Taschenbergpalais unter Einbeziehung der Vorgängerbauten errichtet, deren Spuren die Archäologen während des Wiederaufbaus von 1992-1995 noch immer fanden.
Das 1708 von August dem Starken errichtete Palais war der für Anna Constanze von Hoym eingerichtete Wohnsitz, der späteren Gräfin Cosel, die allerdings nur bis 1713 in den Genuss dieses Stadtpalais kam, da August der Starke sie zunächst auf ihren Sommersitz nach Pillnitz verbannte und später auf die Burg Stolpen. Im Lauf der Jahrhunderte wurde der Gebäudekomplex nun mehrfach umgenutzt und umgestaltet. Zuerst war es ein "Türkisches Palais", dann der Wohnsitz der Kronprinzenfamilien. Eine dieser Kronprinzenfamilien waren der Enkel August des Starken, Kronprinz Friedrich Christian, der als Kurfürst nur 74 Tage im Amt war, und seine Ehefrau, die ehemalige Prinzessin Maria Antonia von Bayern. Beide hatten Mitte des 18. Jahrhunderts großen Einfluss auf die Gestaltung des Palais im Stil des Spätbarock genommen. Im 19. Jahrhundert wurden Dachform, Fassadengestaltung und Gebäudehöhen sehr zum Nachteil der Architektur des Hauses verändert. Das endgültige Aus kam 1945 mit der fast völligen Zerstörung. Bis 1989 lag das Gelände brach, gegen Einsturz gesichert, umgeben von einem Sichtschutzzaun, der Natur überlassen.
Für die Gestaltung beim Wiederaufbau in den neunziger Jahren einigte man sich deshalb auf eine Zeit von 1776, die des schlichten Dresdener Spätbarock. Handschriften von namhaften Architekten, wie Karcher, Pöppelmann, Knöffel, Exner und Schwarze, die am Gebäude zu finden waren, wurden weitgehend in ihrer ursprünglichen Gestaltungsidee übernommen.
Es war ein Glücksfall, das der neue Bauherr, die Kempinski-Hotelgruppe, das nötige Kapital unter den nicht unerheblichen Auflagen des Denkmalschutzes investieren wollte und, dass der damalige Sächsische Landeskonservator, Professor Dr. Gerhard Glaser, ein gutes Gespür dafür hatte, was beiden Denkrichtungen, der des Geldes und der der Historie zumutbar ist. Es war laut Professor Glaser, wie so oft in der Geschichte, Einzelnen zu verdanken, dass trotz kontroverser Meinungen über Sinn und Unsinn eines Wiederaufbaus, trotz unzähliger Gutachten und Gegengutachten, die Entscheidung so ausfiel, dass der Hauch der Geschichte bewusst bewahrt wurde und noch heute alle berührt, die im Hotel oder in den Restaurants diese Hauses weilen. Beides, der Aufbau eines Fünf-Sterne-Hotels und der Denkmalschutz verschlangen nicht unerhebliche Summen.
Manfred Pilz konnte als maßgeblicher Ingenieur für die Gründungsarbeiten die Zuhörer des Abend mit vielen technischen Details so fesseln, dass man auf der Baustelle vor Ort mit fieberte bei der Lösung der schwierigen Fragen für die Stabilisierung des Untergrundes mit Verfahren, die Manfred Pilz schon in den 80er Jahren mit entwickelt hatte. Die Fundamente hatten jetzt viel größere Lasten aufzunehmen als vordem, wobei die vorhandenen Wände abschnittweise untergraben werden mussten. Außerdem wurden in vier Etagen unter dem Gebäude Technikräume und Tiefgaragen eingebaut mit einer so genannten Deckelbauweise von oben nach unten. Eine Fassade, die durch den Bombenangriff 27 cm aus dem Lot geraten war, sollte in diesem Zustand die Nachwelt an die Sinnlosigkeit von Kriegen erinnern und musste in jeder Bauphase aufs Neue stabilisiert werden. Spezialfirmen mit spezieller technischer Ausrüstung arbeiteten auf engstem Raum nebeneinander und übereinander. Allein die Logistik für den Baustellenverkehr inmitten des Zentrums von Dresden erforderte ein Höchstmaß an Disziplin. So grenzt es fast an ein Wunder, dass der geplante Fertigstellungstermin im Jahr 1995 nur um drei Monate überschritten wurde. Die Eröffnung erfolgte am 31. März 1995 und gibt heute dem geschichtsträchtigen Areal zwischen Schloss und Zwinger eine würdiges, schlicht barockes Gepräge.
Ein kleiner Film, der den beschwerlichen Weg des Wiederaufbaus in Wort und Bild beschreibt, bildete den Abschluss des Vortrages, zu dem viele Interessenten gekommen waren, die dem Rezensenten, Manfred Pilz und Wolfgang Pietsch, der für die Bildtechnik sorgte, im Anschluss ein großes Lob aussprachen.