Im Fallenlassen Halt finden
Matinee mit Lyrik und Musik unter dem Titel: Sprünge über SCH - Schneisenreiterei
Mit Róža Domašcyna (Dichterin), Anna Korondi (Professorin für Gesang), Gerold Gnausch (Kammermusiker) und Jan Cyž (Komponist).
"Schneisenreiterei" hört sich als Titel einer Sonntags-Matinee nicht gerade verlockend an und, etwas provokatorisch angemerkt, sehr poetisch klingen die vielen ei-Vokale auch nicht. So könnte man beim ersten Hinsehen meinen. Doch nach dem Hören von Text und Musik erwies sich das Ganze als wahrer sprachlich- musikalischer Glanzpunkt.
Dargeboten wurde währen der Matinee eine spannende Mischung von Lyrik aus dem sorbischen, tschechischen und slowakischen Sprachraum, in Originalsprache, als Übersetzung und vertont von Jan Cyž (*1955). Gerold Gnausch bereicherte mit Klarinette und Saxophon die Sprache der Lyrik meisterlich, weil er die Klänge ebenso wie lyrische Verse steigern, schweben und abklingen lässt und ganz bewusst nur begleitend agiert.
Róža Domašcyna brilliert mit eigenen Texten, liest Texte des Slowaken Jan Zámbor und des Tschechen Milan Hrabal, die sie auch ins Deutsche und Sorbische übertrug. Ausgewählt hat sie genau diese Lyrik, weil sie dem Lebensgefühl der Lausitz sehr nahe kommt, weil die Texte eng der Natur und der Geschichte ihrer jeweiligen Bewohner verbunden sind und weil eher Wehmut als Feindseligkeit vermittelt wird. Róža Domašcyna(*1951) arbeitet als Lyrikerin und Übersetzerin, Jan Zámbor (*1947) unterrichtet Poetik an der Universität in Bratislava und Milan Hrabal (*1954) lebt in Varnsdorf, schreibt Lyrik und Prosa und vermittelt zwischen dem Tschechischen und dem Sorbischen.
Sein Gespür für Lyrik fasst der Komponist Jan Cyž in Musik. Er sorgte mit der Uraufführung des Gedichtes "Schneisenreiterei" von Róža Domašcyna für den Höhepunkt der Matinee, was ihm die Zuhörer begeistert vermittelten.
Im Wechsel zwischen dem sorbisch gesprochenen Text (Róža Domašcyna), dem gesungenen deutschen Text mit der ausdruckstarken Stimme von Anna Korondi, zwischen Saxophon und Bassklarinette bewegt sich der geschäftige Mensch wie in einer Schneise hin und her. Er arbeitet und dengelt an seinem Sprungbrett, an der Sprungfeder und an dem Hemmstück, das den Sprung in höhere Sphären elegant abfedern soll. Aber er kann nicht abspringen, kann nicht darüber springen, bleibt stecken, hat keinen Schwung, er überspannt, verfehlt den Absprung und fällt. Erst im Fallen erhält er Gewissheit, dass im Fallenlassen ins Ungewisse ein Zurück möglich ist, wie bei einem Bungee-Sprung. Mit der Stimme von Anna Korondi wirkte der mehr gehauchte als gesungene Schluss "und fällllllst" beglückt, erleichtert, berauscht und fast ein wenig erotisch. So wird mit dem verschmähten Wort Schneisenreiterei doch noch auf sehr poetische Weise Lebenskunst vermittelt.
Mit freundlicher Genehmigung von Sächsische Zeitung, Hoyerswerdaer Tageblatt