Martin Luther über einen Zeitraum von 500 Jahren

Erich Busse beim Hoyerswerdaer Kunstverein 2015Erich Busse, Dresden, betrachtet in einem Vortrag beim Hoyerswerdaer Kunstverein die Reformation als Glaubenskonflikt und als gesellschaftlichen Entwicklungsprozess

Der Name Martin Luther (1483-1546) ist in 500 Jahren Menschheitsgeschichte nie verblasst. Für die einen wurde er zum Heiligen, für andere zum Widersacher. Und häufig wurde er in der einen oder anderen Rolle missbraucht, was darauf schließen lässt, dass es sich bei Martin Luther um eine außergewöhnliche Persönlichkeit handelt. 
Erich Busse nun führte in einem furiosen Vortrag die Zuhörer mit Luther durch die Jahrhunderte, wies auf die Stärken Luthers hin und erforschte seine Beschränktheit.
Zur Zeit, als Martin Luther zuerst Student und 1507 Augustinermönch in Erfurt wurde, herrscht noch tiefstes Mittelalter. Die christliche Kirche fühlte sich von Gott berufen, die Welt zu beherrschen, alles im Einklang mit der feudalen Ordnung der Fürsten und ihrer Leibeigenen. Westeuropa wird beeinflusst vom Papst und von Rom. Die Bibel liegt bereits als gedrucktes Buch vor, allerdings nur in Latein. Somit bleibt Lesen und Auslegen des Inhaltes den Priestern vorbehalten und unterliegt somit der Kontrolle von Rom. Von hier aus wird Glaube aus Angst vor der Bestrafung durch Gott gepredigt. Ämter in Kirche und Staat sind käuflich, Gott straft jeden, der nicht gehorcht. Seligkeit und Buße kann ebenfalls käuflich erworben werden. Die Tantiemen gehen nach Rom und an den Kaiser. Es gibt eine "Globalisierung der Gier", der Reichtum Einzelner und die Inquisition nehmen zu, die Armut durch bewusstes Herbeiführen von Notlagen ebenfalls. Erich Busse wird an dieser Stelle und im weiteren Verlauf seines Vortrages immer wieder feststellen, dass der christliche Glaube ganz bewusst zu Machtausübung und Machtmissbrauch benutzt wird.
Luther empört am meisten, dass eine käufliche Buße keine Änderung des Lebenswandels einschließt, sein christliches Glaubensverständnis hat etwas mit Würde zu tun, die unabhängig von Stand und Reichtum jedem Menschen, ohne Ausnahme, von Gott gewährt wird, dass jeder Mensch demnach nur seinem Gott und seinem Gewissen Rechenschaft schuldig ist, keiner weltlichen und keiner kirchlichen Macht. Das Wort dieses gerechten und gütigen Gottes steht in der Bibel, wenn wir uns erinnern, an sehr vielen Stellen. Nach Luthers Verständnis soll die Bibel deshalb jedem zugänglich sein. Mit der Übersetzung der Bibel Erinnerung an Martin Luther an seinem Wohnhaus in Wittenbergbewirkt er gleichzeitig ein neues Glaubensverständnis und ebenso ein neues nationales Bewusstsein in Form der "hochdeutschen" Sprache, lebensnah und volkstümlich, indem er dem Volk aufs Maul schaut. Hinzu kommt sein dichterischer Erfindergeist für sinnbildhafte Wortschöpfungen und Redewendungen. Die Bibel wird somit das wichtigste Buch nicht nur der Pfarrer, sondern auch der Schulen. 
Allerdings muss unbedingt erwähnt werden, dass viele Geistliche vor und neben Luther letztendlich zur Reformation beigetragen haben, wie Jan Hus, Ullrich von Hutten, Johannes von Saaz, Savonarola, Eramus von Rotterdam, Melanchthon, Friedrich der Weise und Spalatin, nicht zuletzt Katharina von Bora, seine Frau, die lebenspraktisch und fürsorglich sein Haus verwaltete. 
Die römisch- katholische Kirche in Rom aber wird keine grundlegenden Reformen dulden, ebenso wenig weichen die Reformatoren von gewissen Grundsätzen ab. Es kommt zum erbitterten Meinungsstreit, der auf den kaiserlichen Reichstagen ausgetragen wird. Die Augsburger Reichstage von 1530 und 1555 beschließen einen Religionsfrieden zwischen Luthertum und Katholizismus, die damit verbundene Spaltung aber hält bis heute an. Der Landesfürst kann künftig festlegen, welche Glaubensrichtung in seinem Land gilt. 100 Jahre später hindert dieser beschlossene Religionsfrieden niemanden, 30 Jahre lang einen erbitterten Glaubenskrieg zu führen, bei dem es wiederum nicht um den Glauben geht, sondern um ganz materielle Interessen. 
Luther war zwar ein Kämpfer für die Dinge des Glaubens, es fehlte ihm aber an jeglicher Toleranz; gegen Andersgläubige, gegenüber den aufständischen Bauern und gegenüber den Juden. Jedem, der nicht seinen Reformen in seinem Sinne beitreten wollte, bekämpfte er hart und unerbittlich wie ehemals den Ablasshandel. Es fehlte ihm an "Menschlichkeit und Feindesliebe", die im Neuen Testament ausdrücklich gepredigt werden. Damit schlägt er einen großen Teil seiner eigenen Lehre in Trümmer. Sein Name wird im Bauernkrieg zum Feindbild für die leibeigenen Bauern und für Thomas Müntzer. Viel später, im Nationalsozialismus wird Luther zum Vorbild für Judenhass und liefert damit willkommene Gründe für die Vernichtung von 6 Millionen Juden. 
Trotz allem bleibt es das Verdienst Luthers, das Wort der Bibel wieder in den Mittelpunkt des christlichen Glaubens gestellt zu haben und es waren seine Reformen, die der Kunst, der Kultur und dem Bürgertum zu einem ungeahnten Aufschub verhalfen. Die Schlosskapelle in Torgau auf Schloss Hartenfels ist die erste evangelische Kirche, die errichtet wurde, im Jahr 1544. Eine Ausstellung unter dem Thema "Luther und die Fürsten" ist dort vom 15. Mai bis zum 31. Oktober 2015 als Auftakt zum 500-jährigen Lutherjubiläums zu sehen.
Heute sind viele Christen um eine Einigung beider Konfessionen bemüht. Selbst Papst Franziskus und der ehemalige Papst Benedikt XVI. werden von Erich Busse genannt. Erich Busse selbst setzt sich als evangelischer Pfarrer" seit Jahrzehnten für die Versöhnung zwischen Polen und Deutschland ein, hält Vorträge in Gemeinden, in Akademien oder interessierten Gremien. 2011 erhielt er in Warschau den Lutherdenkmal an der Frauenkirche in Dresden„Heiliger-Albert-Preis" für sein langjähriges und erfolgreiches Wirken für die deutsch-polnische Versöhnung und die evangelisch-katholische Annäherung".

 

 

 

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