Aus Erfahrungen gelernt? Welche Aufgaben stehen vor unserer Stadt?

Dr. Christoph WowtscherkDie Gespräche am Kamin, vom Hoyerswerdaer Kunstverein im Jahr 1993 initiiert und mit einer Begegnung Konrad Zuses, seinen Mitschülern, Freunden mit Bürgern der Stadt eröffnete, entwickelten sich zu einer guten Tradition in der Stadt. Von verschiedenen Trägern gestaltet, ermöglichen sie Diskussionen und Vorträge zu unterschiedlichen Themen. Am Donnerstag dieser Woche luden das Bildungswerk für Kommunalpolitik Sachsen und der Kunstverein zu einem Gedankenaustausch mit dem jungen Wissenschaftler Dr. Christoph Wowtscherk, einem „Kind“ der Stadt, ein. In seiner Dissertation hatte er jüngst die Ereignisse des September 1991, deren Hintergründe, Ursachen untersucht und trug nun einem interessierten Kreis junger und älterer Bürger seine Erkenntnisse vor. Den Titel „Was geschieht, wenn die Zeitbombe hochgeht?“ entlehnte er der Hoyerswerdaer Wochenblatt des Jahres 1991 und kennzeichnete damit bereits ein wenig die Stimmung, die damals in der Stadt geherrscht haben musste. Der Historiker charakterisierte diese Situation mit Unsicherheit, Zerfall sozialer Bindungen, Sensationslust, Zerbrechen gewohnter Strukturen der „zweiten sozialistischen Stadt“ der DDR, z.B. durch der Schließung von Jugendklubs, die das Kombinat Schwarze Pumpe in der Stadt betrieben hatte, und anderer Maßnahmen einerseits und andererseits von Versuchen, ein illegales System einer „Bürgerwehr“ zu etablieren, also des Gefühls, Selbsthilfe üben zu müssen. Exakt und akribisch zusammengetragen aus Archiven, der Presse jener Tage und Statistiken, zeigte er das rasante Wachstum der Stadt nach 1955 auf, deren Bevölkerung innerhalb von 15 Jahre von 7500 auf 70 000 Einwohnern wuchs, die – aus allen Landesteilen zusammenkamen, untereinander fremd blieben - sich nur durch die Arbeit im Kombinat Schwarze Pumpe identifizierten, nicht durch Traditionen oder Kultur, zumal der Bau eines Stadtzentrums, eines Raumes für öffentliche Kommunikation völlig vernachlässigt wurde. Das Kombinat Schwarze Pumpe errichtet 1977 -84 in eigener Verantwortung das Haus der Berg- und Energiearbeiter (heute Lausitzhalle) auf der sonst leeren Fläche der Stadtmitte. Zu den wenigen Versuchen Kommunikationsmöglichkeiten in der Stadt in Eigeninitiative zu schaffen, gehörte Mitte der sechziger Jahre auch der Freundeskreis der Künste und Literatur (jetzt Hoyerswerdaer Kunstverein), Versuche des Kulturbunds und der Kirchen wurden in dem Vortrag nicht betrachtet, führten jedoch zu bis heute bestehenden Strukturen und Angeboten. Mit Daten und Zahlen beschrieb er das Verhältnis zu Bürgern aus fremden Ländern (Polen, Algerien, Ungarn, Vietnam, Mosambik), die als Arbeitnehmer oder Auszubildende ins Kombinat kamen und in der Neustadt abgetrennt wohnten. Dem schloss der Vortragende die Abfolge der Ereignisse vom 21.- Gliederungspunkte aus dem Vortrag von Dr. Christoph Wowtscherk23. September 1991, deren Vorläufer und Auswirkungen an. Er folgerte, die Unruhe und Angriffe auf ausländische Mitbürger, die Hoyerswerda den Ruf „der fremdenfeindlichen Stadt“ einbrachten, seien soziale Proteste gewesen. Die Evakuierung der Asylsuchenden sei von den Randalierern als „Erfolg“ gewertet, sei für die Verantwortlichen jedoch als der einzige Ausweg zur Beruhigung der Situation gesehen worden. Es gab auch Initiativen, die bis heute das Leben in der Stadt prägen, z.B. die Gründung des Evangelischen Gymnasiums Johanneum, der RAA, von Gesprächskreisen und verstärkter Jugendarbeit. Dem konzentrierten Vortrag folgte eine engagierte Diskussion, in der mehrfach als Ursachen das Fehlen von umfassender Bildung, Mangel an Mitgefühl für Andere, vor allem für Fremde genannt wurden. Offen blieb auch die Frage nach Gründen der Neigung zur Gewalt, vor allem Fremden und Asylsuchenden gegenüber. Gewalt sei als ein gesamtgesellschaftliches Phänomen zu betrachten, dem mit Aufklärung, sprich Erziehung und dem Verdeutlichen von Hintergründen der Wanderungen, von Nöten anderer Völker zu begegnen sei. Grundsätzlich wurde herausgestellt, dass das oft geübte Zuweisen der Schuld auf andere Menschen, die Ämter, die Polizei, die Lehrer oder den Staat, die etwas oder alles zu ändern hätten, keine Hilfe sei. Es gälte aus jedem Vorkommnis zu lernen und selbst zu helfen, soweit nur möglich. Die Herangehensweise, die Mitbürger in Hoyerswerda derzeit praktizieren, verdiene Achtung und Hilfe. Das heißt aber, dem Satz des Pädagogen Friedrich Fröbel zu folgen: „Erziehung ist Vorbild und Liebe, weiter nichts.“ 

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.