Lessing ein Mahner für Gegenwart und Zukunft


Dieter Fratzke 2015 beim Hoyerawerdaer KunstvereinDie Zukunft heißt Nathan“ lautete der Titel der ersten Veranstaltung des Hoyerswerdaer Kunstvereins im Jahr 2015. Formuliert hatte ihn Dieter Fratzke, der seit Mitte der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts dreißig Jahre die Geschicke des Lessing-Museums in Kamenz gestaltete. Als Selbstreflexion erwog er, dem Titel ein Fragezeichen hinzuzufügen, entschied dann jedoch, bei Lessing die Antwort zu suchen. Dieser schuf die literarische Gestalt des Nathan nach dem Vorbild von Moses Mendelssohn, dem jüdischen Philosophen, Freund und Gesprächspartner des Dichters am Ende seines Lebens, rückschauend auf seine Lebenserfahrungen, die er in Kamenz, Meißen, Leipzig, Berlin, im Siebenjährigen Krieg, in Hamburg und schließlich in Wolfenbüttel, und letztlich im Religionsstreit um die "Fragmente eines Ungenannten“ ( Reimarus) mit dem Hamburger Hauptpfarrer Goeze gesammelt hatte. In den Freimaurer-Gesprächen „Ernst und Falk“ und in der Schrift „Die Erziehung des Menschengechlechts“ formulierte Lessing das Wesen und Anliegen der Aufklärung. Überschattet wurden die letzten zehn Lebensjahre des Dichters durch den Tod seiner Frau Eva König, seines Sohnes, durch die Verantwortung für seine vier Stiefkinder und Einsamkeit. Insgesamt liegen von Lessing 150 vollendete und unvollendete Werke vor. Er schuf 40 Übersetzungen anderer Dichter aus sieben modernen Sprachen, die er beherrschte. Das Kernstück bleibt das „dramatische Gedicht“, wie Lessing „Nathan der Weise“ nannte, in dem Ziel und Anliegen der Aufklärung szenisch umgesetzt wurde und in dem Aufruf gipfelt: "Es eifre jeder seiner unbestochnen, von Vorurteilen freien Liebe nach.“ Dieter Fratzke erzählte kurz die Handlung dieses Theaterstückes, erinnerte an dessen Inszenierung von Friedo Solter im Deutschen Theater Berlin mit Wolfgang Heinz in der Titelrolle. Sie war den Zuhörern von ihren Besuchen in jenem Theater und durch Besuche beider Künstler in Hoyerswerda vertraut. Dies und der Vortrag ließen die Zuhörer in einen intensive Gedankenaustausch mit dem exzellenten Lessing-Kenner eintreten. Dabei wurde die Aktualität der Fragestellung – wie können wir menschlich achtungsvoll miteinander umgehen – deutlich. Sie lief auf die vom Vortragenden mehrfach erwähnte und in zahlreichen Büchern diskutierte Forderung nach einer 2. Aufklärung hinaus, zumal die Konstellation des Lessingschen Dramas im Gegenüber Christen – Juden- Mohammedanern heute aktuell bzw. bereits dringend erweitert werden muss. Zum Beispiel durch aufgeklärte Streitkultur, beim Einhalten von Grenzen der Toleranz, einer konsequenten Trennung von Staat und Kirche bzw. Religion, in der Gleichheit aller Menschen, in Meinungs- und Gewissensfreiheit, in Empathie für Unterdrückte, Aufnahme von Flüchtlingen, aber auch im Einhalten der Gesetze des Aufnahmelandes und durch Integration der Zuzügler. Nur so könnten die Früchte der 1. Aufklärung gewahrt, kann Nathan als der große Brückenbauer wirksam sein, als den ihn Lessing vorstellte. Gotthold Ephraim Lessing ist nicht nur historisch ein gebürtiger Oberlausitzer, sondern ein moderner Mahner der Gegenwart, der mit seinen Werken Brücken für eine menschlich gestaltete Zukunft baut. 

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