Eine Mahnerin wider das Vergessen spricht über zweigeteiltes Leben

Hoyerswerdaer Kunstverein, am 15.10.2014

Ines Geipel beim Hoyerswerdaer Kunstverein 2014Ines Geipel ist an der Hochschule für Theaterkunst "Ernst Busch" in Berlin als Professorin für Poetik tätig, Außerdem sie publizierte bereits mehrere Bücher über die "Opfer der Gesellschaft" in der DDR, zu denen sie die Schriftstellerin Inge Müller und ihr Umfeld zählte und die unterdrückten DDR-Autoren, die sie gemeinsam mit Andreas Petersen für die "Black Box DDR" recherchierte. Sie setzt sich für die vielen Drogenopfer des DDR-Leistungssportes ein, da sie als ehemalige Leistungssportlerin persönlich davon betroffen ist, und sie fragt, wie viel Doping verträgt die Gesellschaft heute?
"Generation Mauer" nun ist ein sehr authentisches Buch über die Generation, die so ziemlich 25 Jahre der DDR erlebt hat und weitere 25 Jahre der neuen Bundesrepublik Deutschland. Ines Geipel, 1960 in Dresden geboren, also aufgewachsen hinter der Mauer, gehört zu dieser Generation der heute 50jährigen. So erscheint mir dieses Buch von ihr als sehr authentisch und berührend, das nicht nur durch seine vollkommene Aufrichtigkeit und Anteilnahme erstaunt, sondern auch durch eine wunderbar poetische Sprache.
Als Ich-Erzählerin reflektiert sie die Zeit dieser Jahre und viele Einzelschicksale, die sie abfragt oder einfach nur erzählt bekommt. Es geht Ines Geipel, wie sie immer wieder betont, vordergründig nicht um die Täter, sondern um die Opfer, wobei sie den vergessenen Autoren eine Stimme geben möchte und für die Opfer aus Doping und Gewalt eine Entschädigung einfordert.
Die politische Wende 1989 betrachtet sie aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln; die Generation der Intellektuellen zum Beispiel hält die DDR in den Reden, die am 4. November 1989 auf dem Alexanderplatz in Berlin gehalten werden, für reformierbar und zu einem Neubeginn für fähig, während am 9. November die damals 25jährigen einfach nur weg wollen und auch eine reformierte DDR für sie keine Alternative darstellt. Doch was erleben diese damals 25jährigen genau nun nach der Wende? Ines Geipel beschreibt ein Klassentreffen ihrer ehemaligen Dresdener Klasse. Von 26 Schülern sind 13 gekommen, die bisher nie arbeitslos waren und ihren Weg in dem neuen Staat gefunden haben, sie sind auffällig wenig Kariere süchtig, sie sind neugierig auf Leben. 13 sind weggeblieben, möglicherweise weil sie gescheitert sind? Weil sie auf diese Gesellschaft nicht vorbereitet waren? Weil ihnen in ihrer Ausbildung das freie Denken und Entscheiden nicht abverlangt wurde?
Mit dieser Beschreibung von Umbrüchen, Einbrüchen und Aufbrüchen will sie erreichen, dass nichts vergessen wird, so wie die Generation der Väter und Großväter der "Generation Mauer" wortlos oder wortarm die Geschehen des zweiten Weltkrieges verdrängte und dadurch ihre Kinder zu ebensolcher Anpassung in dem neuen Staat animierten.
Ihr Fazit an diesem Abend, unsere heutige Gesellschaft hat viel mehr Potential als sie selbst erkennen will. Während in der DDR dieses Potential durch Zensur und Bevormundung geschmälert wurde, sind es heute die Quoten, die das Kulturleben bestimmen und das geistige Potential diese Landes verschenken.

Mit freundlicher Genehmigung von Sächsische Zeitung, Hoyerswerdaer Tageblatt.

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