Ich bin zu Besuch auf der Welt
Hoyerwerdaer Kunstverein am 12.10.2014
In der Kunstverein-Reihe der Matineen im Schloß Hoyerswerda vermittelte die Berliner Schauspielerin Ines Burdow am vergangenen Sonntag einen Einblick in Leben und Werk der Schriftstellerin Helga M. Novak (1936-2013).Sie skizzierte ersteres kurz, präzise und einfühlsam: Ihre Lebenswege waren von Anfang bis Ende ruhelos. Als Adoptivkind aufgewachsen, erwarb sie das Abitur in einer Internatsschule, die sie sich selbst wählte. Ihr Studium der Journalistik in Leipzig endete mit ihrem Ausschluss wegen politisch missliebiger Aktionen und durch ihre ersten Schriften, die inhaltlich nicht akzeptiert wurde. Mit einem Freund ging sie nach Island, arbeite dort „im Fisch“, also in der Fischverarbeitung, heiratete einen Isländer und schenkte zwei Kindern das Leben. Zurückgekehrt nach Leipzig studiert sie am Literaturinstitut, musste dieses jedoch nach einem Jahr verlassen, da sie gegen die Eingriffe der SED in das Privatleben der Bürger protestierte. Seither zog sie ruhelos quer durch Europa und starb 2013 in Rüdersdorf bei Berlin. Im gleichen Jahr erschien der dritte Band ihres autobiographischen Romans „Im Schwanenhals“, der im Mittelpunkt der Matinee stand.
Ines Burdow gab zwischen Prosatexten einfühlsam Proben der Liebes-Gedichte und der Naturlyrik Helga M. Novaks, die einst auf die junge Autorin aufmerksam machten, beeindruckt durch ihre Bilder und ihre kraftvolle Sprache. Im Mittelpunkt des Programms standen jedoch Auszüge aus dem Roman „Im Schwanenhals“, beginnend mit dem Satz:„Fast hätte ich die Wahrheit gesagt und durch ein einziges Wort meinen Studienplatz verloren.“ Die Auswahl der Texte war sorgsam, sie vermittelten ein lebendiges Bild eine Zeitgenossin, die leidenschaftlich um Wahrheit, Verständnis rang und menschliche Wärme suchte.
Neben Erlebnissen in Deutschland und auf Island war von ihren Begegnungen mit dem Schriftsteller Boris Djacenko (1917- 1975) zu hören. Er stammte aus Lettland, schloss sich bereits als Jugendlicher dem antifaschistischen Widerstand an, geriet mehrfach in deutsche Gefangenschaft, floh und begann zu schreiben. Davon erzählen seine ersten Bücher, die ihn in der DDR bekannt machen. Das Erscheinen des zweiten Bandes seines Romans „Herz und Asche“ (1954) verbot das ZK der SED. Er versank in Einsamkeit. Helga Novak verstand ihn gut, sie sagt, „seine Art Kaffee zu kochen hat einen eigenen Wert im Leben.“ Sie erzählte von Ihrer Freundschaft mit dem Chemiker und Philosophen Robert Havemann (1910 -1982), von seinen Ideen eines menschenwürdigen Miteinanders und dem geringsten staatlichen Reglement für den Einzelnen. Auch er starb in Vereinsamung. Helga M. Novak wanderte ruhelos durch Europa, schrieb dabei zahlreiche Bücher, getreu ihrem Grundsatz „Freiheit ist nicht lügen zu müssen“. Viel beachtete Hörspiele entstanden. In ihrer Heimat, der einstigen DDR, war sie bis 1990 nahezu unbekannt. „Ich bin zu Besuch auf der Welt“ lauteten ihre letzten Worte in der Matinee. Ines Burdow hatte der Dichterin nicht nur Stimme, sondern auch ihre Zuneigung geschenkt. Die Zuhörer dankten es ihr mit herzlichem Beifall. Im Anschluss schmiedete man Pläne für nächste Veranstaltungen, z.B. zu Stefan Heym.