Grotesken eines Baflers excellent erzählt

Dr. Wolfgang Wessig während der Lesung zu Bohumil Hrabal beim Kunstverein HoyerswerdaVortrag und Lesung von Dr. Wolfgang Wessig zum 100.Geburtstag von Bohumil Hrabal (1914-1997)
Bohumil Hrabal ist ein tschechischer Schriftsteller, dem das Schreiben ein inneres Bedürfnis war und der über ein gerüttelt Maß an Humor verfügte, einen grotesken Humor, schräg, wunderlich, absurd. Darüber wollte er schreiben. Und da er davon ausging, dass die Philosophen recht haben, wenn sie behaupten, der Mensch kann sich nichts ausdenken, was außerhalb seiner Realität liegt, suchte er diese Realität an den verschiedensten Orten, geprägt auch durch einen durch einen wunderlichen Onkel, der den Hang zum Fabulieren hatte. 
Studium, durch die Okkupation unterbrochen, Arbeit bei der Bahn, in einer Stahlhütte, als Entsorger von Altpapier, Versicherungsvertreter und Handlungsreisender. Schon an dieser Aufzählung kann man sich vorstellen, das ihm viel "allzu Menschliches" begegnete. "Ich schreibe stets über alles, was ich erfahren habe und setzte dem die Hefepilze der Phantasie zu." Das nennt er Bafeln, tschechisch pabit.
Aus dem umfangreichen Erzählwerk des Bohumil Hrabal wählte Dr. Wessig zwei Erzählungen aus, die er, wie immer, in bester Theatermanier vortrug. "Romanze" heißt die Liebesgeschichte zwischen einem Zigeunermädchen und einem sehr schüchternen Installateur, dessen Held und Vorbild "Fafan von der Tulpe" ist. Sie beginnt äußerst unromantisch mit einer handfesten Forderung des Mädchens nach einem Honorar für ihre Liebesdienste, entwickelt sich zu einer wirklichen Liebe, wobei die Liebesszenen immer wieder von skurrilen Dialogen unterbrochen werden. Am Schluss stärkt das Mädchen das Selbstbewusstsein ihres Geliebten kolossal , in dem sie ihn fragt, wer denn zu einem verstopften Abfluss gerufen wird, er oder Fanfan von der Tulpe? Der Chef und Meister des Jungen wird eifersüchtig feststellen, dass er schon immer von solch einem wunderbar aparten Zigeunermädchen geträumt habe, obwohl die Umwelt eher ablehnend auf eine Verbindung mit einer Zigeunerin reagiert. 
Ähnlich gelagert ist die Erzählung "Diamantenauge", die ebenfalls mit viel Ergriffenheit gehört wird. Ein blindes Mädchen wird von seinem Vater einem Fremden mitgegeben in den Zug nach Prag, zu einem Augenarzt, der sie wieder sehend machen soll. Im Abteil sitzen neben dem Mädchen der Fremde und zwei weitere Reisende. Das blinde Mädchen ist diejenige, die ein Gespräch in Gang setzt über die Väter der Mitreisenden. Hierbei werden alle zu wunderbaren Helden in den blinden, diamantenen Augen des Mädchens. Der eine hat ein "zu großes Herz" und wird für wissenschaftliche Zwecke grotesk missbraucht, der andere ist jähzornig und wird zum Helden, weil ein Hinkender, den er überfahren hat, wieder laufen kann und einem anderen nach der Schlägerei aus der schiefen Nase eine gerade wird. Ein ehemaliger Gerber wird berufsbedingt zum Krüppel und regelt fortan auf seine Art den Straßenverkehr an einer gefährlichen Kurve. Als er stirbt, geschehen wieder reihenweise Unfälle, so dass zwei Spiegel an dieser Kurve nunmehr an ihn erinnern, wie zwei Augen. Bleibt am Ende die Frage, ob das Mädchen mehr sieht, so wie sie ist oder ob sie mehr sehen wird nach einer eventuell gelungenen Operation?
Dr. Wessig machte neugierig auf weitere Werke der Erzählkunst dieses Bohumil Hrabal.

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