Toleranz und Versöhnung

Ein Vortrag von Erich Busse, Pfarrer i.R., Dresden, beim Hoyerswerdaer Kunstverein
Erich Busse, 2014 in HoyerswerdaEinen fulminanten Exkurs auf den Spuren der Intoleranz in der Menschheitsgeschichte erlebten die Zuhörer von Erich Busse an diesem Abend. Es war in dieser Konzentration schier unglaublich, was zu hören war, beängstigend und beschämend. 
Erich Busse lässt keinen guten Faden an dem, was Menschen einander angetan haben, "im Namen Gottes" oder "für Volk und Vaterland". Immer ist es ein handfestes materielles Interesse, das zu Intoleranz führt: Aneignung oder Erhalt von Macht und Besitz! Wo bitte schön, reden die Religionen davon, dass der Sinn des Lebens darin besteht, Macht und Reichtum zu erreichen? 
Intoleranz findet man in allen politischen und ideologischen Systemen. Intoleranz wiederum bedeutet, keine andere Meinung und keine andere Handlungsweise gelten zu lassen, als die eigene. Die Dynastien Europas, die Stauffer, die Hohenzollern, die Wettiner, die Habsburger und alle anderen verstanden sich als Herrscher von Gottes Gnaden, als Menschen, die im Auftrag Gottes handeln, ebenso die kirchlichen Würdenträger, da wird der Papst sogar selbst zum Stellvertreter Gottes. Sie allein legen fest, wie sich Untergebene oder Gläubige zu verhalten haben. Das eigene Handeln allerdings unterliegt diesen Gesetzen nicht. Wie kann es sonst ein, dass jede Frau am Pranger oder auf dem Scheiterhaufen landet, der auch nur ahnungsweise Ehebruch nachgesagt wird, während die Obrigkeiten ganz öffentlich Mätressen halten und mit Hofdamen verkehren?
Bereits in der Bibel werden Geschichten erzählt, in denen Menschen gesteinigt und getötet werden, eine unaufhörliche Folge von Intoleranz und Hass bis heute, die ein Jesus von Nazareth durchbrechen will. Für ihn ist Glaube, frei sein von Angst und Hass, Leben mit Maximen wie Nächstenliebe und Friedfertigkeit, Zurückstellen des eigenen Ego, Vergeben und bitten um Vergebung. Es ist schwer zu glauben, dass die christlichen Kirchen diese Lehre ihr eigen nannten.
Im späten Mittelalter überzog die Inquisition ganz Europa. Menschen, die den katholischen Glauben in Frage stellten oder zu wissenschaftlichen Erkenntnissen gelangten, die dem Weltbild der Kirche widersprachen, wurden in Inquisitionsverfahren verurteilt und hingerichtet, Folter inbegriffen. Hexenprozesse, so hört man, gab es fast ausschließlich in Deutschland, nicht etwa im Mittelalter, sondern im 16. und 17. Jahrhundert. Es gab Hexenprozesse, bei denen ein Drittel der Frauen eines Dorfes an zwei Tagen hingerichtet wurde. Richter und Zuschauer wähnten sich im Recht. Im Recht fühlten sich auch Deutsche, als die Synagogen brannten, als der faschistische Staat halb Europa in die Vernichtungslager schickte, als man für das "Deutsche Reich" gegen die übrige Welt Krieg führte. Bei Naturkatastrophen und Hungersnöten werden ebenfalls Schuldige gesucht, gefoltert und getötet. Folterwerkzeuge sind heute noch in fast jeder Burg zu besichtigen, und es gibt eine Menge davon. Auf jedem Marktplatz in deutschen Landen standen Galgen und brannten Scheiterhaufen. Die Hinrichtung wurde zum Event. 
Wo bleibt bei so viel Intoleranz noch Raum für Toleranz und Versöhnung? Erich Busse weiß aus eigenen Projekten eine Menge zu berichten, von gegenseitiger Achtung und Versöhnung. 2011 erhielt er in Warschau für sein jahrelanges Engagement den "Heilig-Albert-Preis" für deutsch-polnische Versöhnung und evangelisch-katholische Annäherung". Er berichtet von vielen Initiativen der Versöhnung, mit Juden, Christen und Moslems, von Schuldeingeständnissen aller Art. Die Liste der Schuld ist lang und das Pflänzchen Versöhnung noch klein. Wer weiß das besser, als die Bürger der Stadt Hoyerswerda, die noch 1993 einen Pogrom gegen Ausländer erlebten und heute nur zögerlich zu Toleranz und Achtung vor dem Anderssein finden.
Einer alten Weisheit zufolge leben in uns Schaf und Wolf eng beieinander, die Oberhand wird gewinnen, wen wir am meisten füttern.

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