Kultur ist kein Luxusartikel

Dr. Ibon Zubiaur 2014 in Hoyerswerda, links seine Übersetzung des Brifwechsels von Brigitte Reimann mit dem Architekten Hermann Henselmann

Dr. Ibon Zubiaur ist gebürtiger Baske, Essayist, Philosoph und Übersetzer, neben klassischer deutscher Literatur übersetzte er auch Brigitte Reimann ins Spanische. Er ist der ehemalige Direktor des Instituto Cervantes in München, welches als das spanische Pendant zum Goethe-Institut gilt.
Im Vorfeld eines mit dem Journalisten Uwe Jordan geführten Interviews hatte Ibon Zubiaur bereits seine Intentionen dargelegt, die ihn an Brigitte Reimann faszinieren. " Sie hatte das seltene Talent, ihren Stoff, ihre Personen mit Unmittelbarkeit, charakteristischen Gesten auf engstem Platz so zu zeichnen, dass in drei Sätzen ein Mensch vorstellbar wird."  Er fragt sich, warum es bei ihr «geklappt » hat und bei so vielen anderen nicht. 
Unter diesem Aspekt gesehen sieht er folgende Bücher der Reimann für einen zeitlosen Kanon geeignet: Die Geschwister, Briefwechsel mit Hermann Henselmann, die Tagebücher in Auszügen, Das grüne Licht der Steppen und Franziska Linkerhand. Diese Reihe könnte er sich auf dem spanischen Literaturmarkt vorstellen, weil sie Themen ansprechen, die anderswo genau so zeitgemäß wie zeitlos sein könnten.
Ins Spanische übersetzt liegen von ihm bereits "Die Geschwister " und der "Briefwechsel mit Hermann Henselmann" vor. Aktuell arbeitet er an einem spanischen "Lesebuch der DDR-Literatur" mit, das auf der Semana negra, einem Literaturfestival, im Juli in Gijon vorgestellt werden wird. Neben der Reimann zählen zu seinen Favoriten auch Irmtraud Morgner, Volker Braun, Jurek Becker, Franz Fühmann, Hermann Kant, Günter de Bruyn, Maxie Wander, Fritz Rudolf Fries u.a.
Dr. Zubiaur erzählt, dass er durch seinen Verleger zu Brigitte Reimann kam, der ihm die Übersetzung der "Geschwister" vorschlug, daraus wurde eine postume Liebesbeziehung, natürlich im literarischen Sinne. Allerdings kann man sich gut vorstellen, dass Brigitte Reimann diesen phantasievollen, leidenschaftlichen Spanier auch im wirklichen Leben geliebt hätte und von ihm fasziniert gewesen wäre. Somit also eine für die Literatur befruchtende Begegnung.
Die Öffentlichkeit zu überzeugen, dass solche Literatur wichtig ist und finanzierbar sein muss, ist für ihn zur Lebensaufgabe geworden. "Gerade jetzt, wo ALLES abgeschafft wird im kulturellen Sektor, wo Kultur als Verschwendung gilt, gerade jetzt ist es notwendig, das Recht auf Kultur und Literatur einzufordern." Und dies gilt nicht nur für Spanien!
Dr. Zubiaur sieht die Unentbehrlichkeit von sprachlich ausgereifter Literatur auch im politischen Sinne. Eine Welt, die seine Dichter entbehren kann, ist vom Verfall bedroht. Nicht von ungefähr entsteht in Zeiten von politischer Unfreiheit immer gute Literatur, was nicht gleichbedeutend ist, dass man Diktaturen deshalb unterstützen sollte, aber man sollte das Geschriebene ohne Voreingenommenheit wahrnehmen, für die Nachwelt erhalten und für die heutige Dichtung den Schluss ziehen, dass Anpassung aufgrund von materiellen Vorteilen für einen Schriftsteller die schlechteste Alternative ist. Das Gleiche gilt für den Übersetzer, eine gute Übersetzung muss im Verhältnis zum Aufwand bezahlt werden können. Aus seiner eigenen Erfahrung weiß er, dass das bei Weitem nicht so ist und trotzdem wird er weiter das Seinige tun, den Anspruch auf Wahrhaftigkeit und Individualität der Leser an die Literatur zu erfüllen und im modernen Literaturbetrieb zu manifestieren. Literatur ist kein Luxusartikel, Literatur und Kultur sind Lebenselixier, das jedem zugänglich sein muss. 
Dr. Ibon Zubiaur selbst bezeichnet sich als einen Übersetzer, der gern die Autoren und das Metier wechselt, mit einer Ausnahme: Brigitte Reimann. "So leidenschaftlich, wie sie verteidigte, was ihr wichtig war, so kompromisslos, wie sie benannte, was sie ablehnte", das zeugt weder von Anpassung noch von Kleinmut. Es verdient Respekt, wie sie Gelebtes und Gelesenes in Literatur umsetzte.

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