Rheinischer Humor überbrückt ein Jahrhundert

Dr. Wolfgang Wessig während der Lesung zu Harry SchmitzVor 20 Jahren lud der Hoyerswerdaer Kunstverein zum ersten Gespräch am Kamin ein. Als erster Gast erzählte dort Professor Konrad Zuse von seiner Schulzeit in Hoyerswerda. Freunde und einstige Mitschüler unterstützten ihn mit Schnurren, Anekdoten, mit Geschichten aus ihrer damals noch kleinen Schulstadt. Des Staunens und Lachens war kein Ende. Eine ähnliche Atmosphäre herrschte beim Gespräch am Kamin am Donnerstag. Dr. Wolfgang Wessig aus Görlitz stellte den Humorschriftsteller und Vortragskünstler Hermann Harry Schmitz (188o-1913) vor. Dabei stellte sich gleich heitere Atmosphäre wie bei jenem Eröffnungsabend der Reihe ein. Harry Schmitz erzählte aus den Jahren vor dem ersten Weltkrieg, aus dem Wilhelminischen Deutschland, von dem er sagte: „Es war alles wie verhext“. Diese Atmosphäre schilderte er in seinen Grotesken aus der Sicht der sogenannten „kleinen Leute“, die an der herrschenden Großmannsucht des Kaiserreiches keinen Anteil hatten. Sie beherrschte vielmehr eine uneingestandene Angst, daran keinen Teil zu erhalten und damit vergessen zu sein. Sie unterlagen der damals bereits blühenden Werbung, die Glück und Reichtum völlig Kosten frei versprach. Menschen die jenen Lügen folgten - wie in der Geschichte „Der Junggeselle“ – scheiterten schmählich. Jener Mann fand nicht die erhoffte Ehefrau, sondern erlebte, dass im gepriesenen Kurheim jede kleinste Leistung extra bezahlt werden musste, bis er zwischen immer neuen Versprechungen und Enttäuschungen im Wahnsinn endete. Unsicherheit schuf auch die sich damals rasant entwickelnde neue Technik im Verkehr oder im Haushalt Sie bildeten ein Thema für Schmitz: Eine „Notbremse“ im Zug oder eine als „vorzüglich“ gepriesenen „Kaffeemaschine“ trieben eine Opernsängerin in den beruflichen Ruin und eine Hausfrau in eine Katastrophe. Statt des „vorzüglichen Kaffees“ zum Geburtstag ihres stets mit ihrem Kaffee unzufriedenen Mannes zu kochen, brannte sie das Haus ab. Die Opernsängerin versäumte ihren „großen Auftritt“ für immer. Da erschien manche Beobachtung - vor hundert Jahren geschrieben - sehr zeitnah. Der erfahrene Theatermann Wolfgang Wessig wusste seine Text gut zu wählen und noch besser zu präsentieren. Der Vorleser hielt seine Zuhörer fest im Bann mancher immer skurriler werdenden Geschehnisse, die der blühenden Phantasie von Harry Schmitz entsprossen. Der Vergleich mit dem Trubel der Darbietungen beim Karneval von dessen Rheinischen Heimat schien völlig angebracht. Dessen Heiterkeit wirkte durch seine Texte auch am Hoyerswerdaer Kamin. 

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