Alte Texte haben nichts von ihrer Aktualität verloren


Anlässlich seines 125. Todestages gestalteten Jost Hasselhorn, Referent der Dresdener Frauenkirche, und der Hoyerswerdaer Kunsterverein eine Sonntagsmatinee zu Andenken und Ehren Theodor Storms. Storms Motive bewiesen den universalen Weltblick eines heimatverbundenen Autors.

Jost Hasselhorn

Vielleicht wären die schmerzvollen Improvisationen von Saxofonist Konstantin Jahn im großen weißen Saal des Hoyerswerdaer Schlosses, in dem Jost Hasselhorn und der Kunstverein schon so manche bewegende Sonntagslesungen inszenierten, besser zur Entfaltung gekommen. Den knapp vierzig Gästen und den autochthonen Novellen von Theodor Storm jedoch genügte der mittelgroße Raum des freundlichen Kaminzimmers. Was hat es für sich, die Werke eines gebürtigen Husumers mit juristischer Ausbildung knapp 140 Jahre nach ihrer Niederschrift in Hoyerswerda zu lesen? Geschrieben zur Mitte des 19. Jahrhunderts scheint der Inhalt der heimatleichten Erzählungen, bestenfalls mit Hochzeitsfinale, frei vom Wissen um die Folgen katastrophaler Weltenkriege und globaler Wirtschaftskrisen. Kaum sei mit hilfreichen Botschaften für das Leben im Jetzt und Heute zu rechnen, möchte man meinen. Doch Rezitator Jost Hasselhorn überraschte mit einer Auswahl aktueller Ideen. 
Schon die Briefe an seinen Freund Mörike geben in lebenswirklichen Details eine Vorstellung von Storms tiefer Verwurzelung in Heimat und Familie. Fast noch stärker gelingt es jedoch den er- und verdichteten Alltagswelten der Novellen, die Zeit und ihre Menschen in bedacht arrangierten Geschehnissen zu spiegeln. Die von Hasselhorn einfühlsam vorgetragenen Auszüge aus „Pole Poppenspäler“ erweisen sich als gut gewählte Beispiele für die Aussagekraft der Stormschen Novellen. „Ich weiß nicht mehr wohin“, klagt das Zigeunermädchen Lisei ihrem Paul, dem Protagonisten der Erzählung. Gott habe ihn wohl geschickt, sie zu leiten, schlussfolgert Paul unaufgeregt und beschließt, die Geliebte in seine Heimat mitzunehmen. Seine Überlegung: Zwölf Jahre sind seit dem ersten Abschied von Lisei vergangen. „Sollte wieder so viel Zeit vergehen oder gar ein ganzes Leben?“ Lisei blickt Paul aus schwarzen Augen durchdringend an, als er sie bittet, mit ihm zu gehen. „Wir sind landfahrende Leute“, erklärt das Mädchen im Namen ihrer Familie und zweifelt daran, in Pauls Heimat willkommen zu sein. Doch Paul ist überzeugt, dass sie gemeinsam Demütigung und Geschwätz ertragen werden.
Als Storm im Jahr 1888 im Alter von 70 Jahren starb, waren die globalen und lokalen Gräueltaten des 20. Jahrhunderts noch dunkle Zukunftsmusik. Doch seine Leitbilder sind von universaler Gültigkeit. Selbstredend legitimieren sich seine Geschichten auch in einer Lesung am feinsinnigsten Kamin von Hoyerswerda 125 Jahre nach dem Tod und 600 Kilometer vom Heimatort ihres Verfassers und . „Der Umgang mit dem Fremden mit den Worten von Theodor Storm lehrt uns ein gutes Stück Mensch sein“, resümiert Hasselhorn. Das Publikum applaudiert anhaltend.

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