Leah Goldberg, eine jüdische Schriftstellerin,  mit russischen Wuzeln und einem deutschen Doktortitel

Martin Schmidt (links) bittet Dr. Wessig, unbedingt zu einem neuen Thema wieder zu kommen.Dr. Wessig ist immer für eine Überraschung gut. Nachdem er in den letzten Jahren viele zu Unrecht vergessene Künstler aus dem Drei-Länder-Eck, Tschechien, Deutschland und Polen vorgestellt hat, war es dieses Mal  Leah Goldberg (1911-1970). Selbst für Dr. Wessig war diese Autorin eine Überraschung. Zu ihr führte ihn die Kinderbuchautorin Mira Lobe (1913-1995), die als Hilde Rosenthal 1913 im Scultetus-Haus in Görlitz geboren wurde und in diesem Jahr mit einer Jubiläumsfeier geehrt werden soll. 
Leah Goldberg arbeitete als Übersetzerin für Mira Lobe, indem sie deren Bücher aus dem Deutschen ins Hebräische übersetzte. Die Tätigkeit als Übersetzerin war aber nur ein kleiner Teil des Könnens der Leah Goldberg, die heute in Israel eine viel gelesene Autorin ist, deren Lyrik in Rocksongs zum Kult wurde, ebenso ihre vielen Romane, Dramen und Kinderbücher.
Leah Goldberg wurde 1911 in Königsberg geboren, ihre Muttersprache war Russisch. Erste Gedichte veröffentlichte sie allerdings in Hebräisch, da ging sie noch zur Schule. Die Familie wohnte später in Saratow und Kaunas (Litauen). Sie studierte Philosophie und semitische Sprachen in Kaunas und promovierte 1933 an der Universität in Bonn. Bereits 1935 verlässt sie Deutschland und siedelt nach Tel Aviv über. Inzwischen beherrscht sie sieben Sprachen. Die Historikerin Yfaat Weiss bezeichnet sie als eine neuhebräische Ikone, die im Sinne einer konstruktiven, dem Gemeinwesen zugewandten Intelligenz stark nach innen wirkte.
Dieses Wirken geschieht auch durch die neue hebräische Sprache, die als Amtssprache in Israel etabliert wurde und die besonders durch Leah Goldberg auch zur Literatursprache avancierte. Und genau diese ihre Sprache lässt erstaunen. Eines der wenigen Werke, die in deutscher Übersetzung vorliegen, sind die "Briefe von einer imaginären Reise" aus dem Jahr 1937. In den Texten, die Dr. Wessig auswählte, hört man die alte hebräische Sprache der Psalmen in der Übersetzung Martin Luthers ebenso wie den Wohlklang Alexander Puschkins oder die elegische Lyrik von Rainer Maria Rilke. Alles vereint in einer eigenen brillanten Sprache, die durch Klarheit im Denken besticht und die sehr behutsam verurteilt und kritisiert. Ein Lob auch der hervorragenden Übersetzerin dieses Romans, Lydia Böhmer, die die Originalsprache feinnervig ahnen lässt. 
Von einer imaginären Reise schreibt die junge Frau Ruth Briefe an den Geliebten Immanuel, von Träumen und Gefühlen, denen sie in Berlin Köln, Paris, Marseille und anderswo ausgeliefert ist. Die Autorin meint damit nicht nur die unglückliche Liebe zu einem jungen Mann, sondern auch die tragische Liebe der Juden zu Deutschland und Europa, die nicht erwidert wird. Nicht zufällig hat sie sicherlich die Namen der Hauptdarsteller gewählt, Ruth, die Frau aus dem Alten Testament, die von Juda über Moab nach Israel in eine ungewisse Zukunft zieht und für Immanuel, was wörtlich genommen "Gott sei mit uns" heißt und für viele Juden zum schmerzlichen Gebet während des Holocaust wurde.
Einer dieser Texte der imaginären Reise betrifft Leben und Werk von Gerhart Hauptmann, das sie feinfühlig und wissend beschreibt; zum einen würdigt sie alles Großartige dieses Dichters, empfindet aber auch seine Kleinmütigkeit im Dritten Reich sehr schmerzlich.
Für alle Zuhörer war der Abend eine neue literarische Fundgrube und regte sicher dazu an, mehr von Leah Goldberg zu lesen.

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.