Kunst Europas in den Lausitzen entdeckt

St. Annen Kamenz, Klosterkirche und Sakralmuseum„Warum in die Ferne schweifen, sieh‘ das Gute liegt so nah“. Dieser Volksweisheit folgte der Hoyerswerdaer Kunstverein mit seinem Gespräch am Kamin dieser Woche. Das Thema „Kunst der Jagiellonenzeit am Vorabend der Reformation“ führte nur scheinbar in litauische-ungarische Ferne. Dr. Marius Winzeler, der Direktor der Zittauer Museen, lenkte die Blicke vornehmlich auf Kunstwerke, die in den Lausitzen und ihrer unmittelbaren Nachbarschaft zu finden sind. Der Kaminsaal im Schloss Hoyerswerda erwies sich als der einzig angemessene Raum. Sein vor zwanzig Jahren wieder erstandener Zauber korrespondierte mit den Kunstwerken der Meister Veit Stoß, Lucas Cranach, Albrecht Dürer und deren Zeitgenossen. Den Anfang und den Abschluss bildete ein Blick in die Johanneskirche von Hoyerswerda mit dem Echthaar-Kruzifix, die in jener Zeit entstanden. Dazwischen führte der Vortrag zur Annenkirche Kamenz mit ihrem bewundernswerten Ausstellungsprogramm mittelalterlicher Altäre, deren jeder ein Meisterwerk ist. Kunstwerke einmaliger Schönheit, Bilder zur Geschichte des Jagiellonenreiches waren zu bewundern. In Görlitz, Zittau, Bautzen, Kutna Hora, einem Hauptsitz der Jagiellonen, in Krakau, Breslau, in Prag und Ungarn und an vielen anderen Orten sind sie zu finden. Handwerkskunst, vor allem dem Silberbergbau in Kuttenberg geschuldet, verzauberte mit ihrer Eleganz, ihrem zierlichen Schwung, mit Phantasie und Präzision bei Kelchen, Trinkhorn, Gefäßen – meist kirchlicher Provenienz, da die Gebrauchsgegenstände auch königlichen Alltags eingeschmolzen wurden, wenn Geld fehlte. Anhand der Porträt-Malerei entschlüsselte Dr. Marius Winzeler die Geschichte der Jagiellonen, denen es mit weitsichtiger Heiratspolitik gelang, nicht nur ein Reich von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer und von Rußland bis zu den Lausitzen aufzubauen, sondern auch Kriege und Erbfolgestreitigkeiten zu vermeiden. Damit entstand ein Herrschaftsbereich, in welchem zahlreiche Völker und Sprachen zu Hause waren, man sich jedoch mit Latein überall verständigen konnte. Nicht umsonst können die Jagiellonen gleichsam als Vorläufer der heutigen EU gesehen werden. Dieses Anliegen lag dem Vortragenden am Herzen, dazu der Johanneskirche Hoyerswerda, EchthaarkruzifixWunsch stärker nach dem Osten, auf dessen Kunstreichtum und dessen umfangreichen Beitrag zur Kulturgeschichte Europas zu achten. Der Westen besteht nicht ohne den Osten und umgekehrt denkbar. Gerade ihre Unterschiede regen lebendiges Miteinander an. Darin stimmten die zahlreichen Zuhörer dem Referenten ohne Einschränkungen zu. Dies auch, weil immer wieder die Brückenfunktion der Lausitzen an vielen Beispielen deutlich wurde. Die Lausitzen binden Ost und West in Mitteleuropa. In der Städten, den Sammlungen, den Museen wurde dies sichtbar. Mit einigen wichtigen Zeugnissen gestaltet das Museum in Zittau in diesem Jahr eine Kabinett-Ausstellung, die in den Lausitzen vorhandenen Schätze können dort bewundert werden. Von März bis Juni ist dazu in Potsdam dazu eine repräsentative Schau zu bewundern, die bereits in Kutna Hora und Warschau Freunde der Kunst, der Geschichte und der Liebe zu Europa erfreute. Der Kunstverein wird der von Dr. Marius Winzeler charmant überbrachten Einladung folgen, auch um die nahezu ein Jahrtausend bestehende kulturelle Einheit Europas, in die die Lausitzen eingebunden sind, zu sehen. 


Christus in der Rast, um 1510Altarflügel eines Marienaltars, Abschied Jesu von seiner Mutter und Marterung ChristiMichael Wohlgemut, Jüngstes Gericht, Holzschnitt um 1490Zittauer Franziskanerkloster, Ort der Kabinettausstellung 

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