Die Erde und der Mensch, der sie bewohnt

Michael Leetz beim Kunstverein HoyerswerdaVortrag von Michael Leetz, Berlin, über den Schriftsteller Andrej Platonow (1899-1951)
Dafür, dass die Erde bewohnbar bleibt, trägt der Mensch eine große Verantwortung. Dies ist das Grundmotiv aller Erzählungen und Romane von Andrej Platonow.
Andrej Platonow ist ein Schriftsteller, der bereits ab 1929 auf den Widerspruch zwischen den Möglichkeiten des Menschen zur Zerstörung der Ressourcen der Natur und seiner Vernunft, die Erde als den wertvollsten Schatz zu bewahren, in der Literatur eindringlich hingewiesen hat. Das Werk des Menschen zwischen "Kopf und Hand ist in Einklang zu bringen, damit die Blumen in der Wüste zu blühen beginnen, damit die Nachgeborenen einen unverdorbenen Erdball unter ihren Füßen haben können."
Geboren wurde Andrej Platonow in Woronesch, im Schwarzerdegebiet südlich von Moskau, dort erlebt er, wie sich die Wüste ausbreitet, weiter ausbreitet seit unter Zar Peter I. das gesamte Waldgebiet abgeholzt wurde, um Schiffe für die Kriegsflotte zu bauen. Platonow selbst wird Ingenieur, baut Staudämme, betreut Kanalbauten und Meliorationsvorhaben, die tief in die Natur eingreifen und den Lebensraum eigentlich positiv im Sinne des Allgemeinwohls verändern sollen, bis er begreift, dass oft das Gegenteil eintritt und der Mensch mit Hilfe der Technik die Natur und damit seinen eigenen Lebensraum zerstört.
Sein technisches Wissen verhilft ihm zu Visionen, die nicht im Nirgendwo liegen, sondern Visionen, um Wind, Wasser und vor allem das Licht aus dem Weltall nutzbar zu machen ohne die Ressourcen der Erde zu verbrauchen.
Er begrüßt die Revolution, denn der Mensch als Sklave wird bei ihm in allen Erzählungen thematisiert. Sklavisch ist für ihn aber auch die neu entstehende Sowjetbürokratie unter Stalin. Die Bürokratie, die sich über die Menschen stellt, die die Revolution getragen haben und sich selbst zum neuen diktatorischen Herrscher erhebt. "Jeder, der sich am Leben berauscht, kommt darin um", ist eine zentrale Maxime Platonows, "man soll aufgehen in der Arbeit einer sozialistischen Gesellschaft, mehr nicht." Das Missverhältnis zwischen Technik und Natur wird aus der Sicht Platonows zur ersten Tragödie der sozialistischen Gesellschaft, "diese Tragödie muss in unserem Land gelöst werden, es ist eine wichtige und ernste Aufgabe." Die Heroisierung der technischen Errungenschaften führt zur Aufweichung der Dialektik , zum Auseinandertriften von Natur und Gesellschaft, was wir heute Balance zwischen Umwelt und Wirtschaft nennen.
Aus dieser Kritik, aus der Ablehnung von Personenkult und Heroisierung erwächst ihm unter Stalin Berufsverbot, wird sein Sohn im Alter von 16 Jahren in ein Arbeitslager geschickt, von dem er zwar mit Hilfe Scholochows zurückkommt, aber unheilbar an Tuberkulose erkrankt ist und 1942 stirbt. Platonow steckt sich an und stirbt im Alter von 52 Jahren ebenfalls an dieser Krankheit. 
Michael Leetz befasst sich als Slawist von Berufs wegen mit den Werken russischer und sowjetischer Schriftsteller. Man spürt aber bei diesem seinem Vortrag eine ganz persönliche Faszination, die für ihn von Andrej Platonow ausgeht, der die Probleme der Welt auf der Ebene von Philosophie, Wissenschaft und Ethik diskutiert, und diese gab er an die begeisterten Zuhörer weiter. Denkstoff genug. Und so wird mancher nachlesen in „Die Sandlehrerin“ oder in "Gorod Gradov" oder „Über die erste sozialistische Tragödie“, vielleicht auch in "Der erste Iwan" und "Unterwegs nach Tschevengur".