Literatur führt zum Nachdenken über die Gegenwart
Am Donnerstag begrüßte der Hoyerswerdaer Kunstverein den Kölner Slawistik- Professor Dr. Bobo Zelinsky zum zweiten Mal zu einem Vortrag über Weltliteratur. In diesem Jahr verglich der Spezialist für russische Literatur die Darstellung der Teufels-Gespräche in dem Roman “Brüder Karamasow“ von Fjodor Dostojewski und in Thomas Manns „Doktor Faustus“. Der Referent erinnerte kurz an das Weltbild des Mittelalters, in dem der Teufels reale Bedrohung, auch als Person betrachtet wurde, während die Neuzeit diese Vorstellung verwarf. Welchem Anliegen folgten daher die beiden Schriftsteller mit diesen Teufels—Szenen in ihren weltberühmten Romanen, fragte der Fachmann und verlieh seinem Vortrag damit eigene Spannung. Jeder der beiden Autoren wählte eigene Wege in Beschreibung, Auftreten, Verhalten der Personen, denen ein Pakt mit dem Bösen angeboten wurde. Während Dostojewski von der Haßliebe der drei Brüder zu ihrem Vater sprach, beschrieb Thomas Mann das Streben des „deutschen Tonsetzers Adrian Leverkühn" zu höchsten künstlerischen Leistungen. Beide Ziele schafften Kälte um die Personen, schenkten ihnen kein Glück. Thomas Mann beschreibt das Schwinden möglicher Liebe und den Tod in Umnachtung. Dostojewski führt seinen Protagonisten zum Eingeständnis der nicht begangenen Tat des Vatermordes und zur Sühne durch Verbannung. Der weitere Verlauf ist unbekannt, denn die Bände zwei und drei, die der Schriftsteller plante, konnte er nicht mehr schreiben, der Tod nahm ihm die Feder aus der Hand. Der Vortrag schenkte viele Gesprächsansätze: Thomas Mann schrieb seinen Roman im Exil während in Deutschland faschistischer Terror, Machtbesessenheit und Mord ihr Unwesen trieben. Das Böse beherrschte Menschen, die jene Taten begingen und jene, die sie duldeten. Dostojewski sah individuelle Gefahren durch jene heraufziehen, deren Herzen kalt, die intellektuell überheblich und kontaktlos, sich und ihre Ideen absolut setzten. War das ein prophetischer Blick oder sah er das Unglück bereits in seiner Zeit heraufziehen? Weder Vortrag noch Gespräch konnten diese Fragen eindeutig beantworten, sie machten jedoch sensibel für Erscheinungen in der Gegenwart, die individuelle und gesellschaftliche Kälte – in welcher Form immer – ermöglichen oder ihr Raum geben. Literatur, Künste und ihre Mittler sind Mahner, sensibilisieren dazu, auf den Anderen neben uns zu achten. Dieses Nachdenken wird in weiteren Begegnungen fortgesetzt werden.