Lausitz - aus der Vergangenheit schöpfen für die Gefäße der Zukunft

Der Ensheimer Kreis vor dem Schloss Hoyerswerda

Der Ensheimer Kreis mit Wurzeln in Ensheim in der Nähe von Saarbrücken, besucht die Lausitz und Hoyerswerda. Und es soll nicht bei einem Besuch bleiben. 
"Im Frühjahr 1970 wurde der „Arbeitskreis für Kultur- und Gesellschaftspolitik - Ensheimer Kreis“ im „Blauen Salon“ des Restaurants im Flughafen Saarbrücken-Ensheim gegründet. Er ging aus der „Wählerinitiative für Professor Dr. Hubert Rohde“ hervor, einer Gruppe von etwa 100 Bürgern, die im damaligen saarländischen Landtagswahlkampf Person und Politik von Prof. Rohde mit großem Erfolg unterstützten. Das Gros der Gründungs-mitglieder bestand aus Bewohnern der Heimatregion von Prof. Rohde (Gemeinde Heckendalheim und Kreis St. Ingbert) sowie aus Studenten und Professoren der Saarbrücker Hochschulen" - so die Darstelllung auf der Internetseite des Ensheimer Kreises. 
Weiterbildung und kulturpolitische Initiativen schlossen sich an. Und so kam dieser Kreis mit viel Engagement nach der Wende auch in die neuen Bundesländer und baute hier ein Trägerwerk für Soziale Dienste auf, wozu in Hoyerswerda die KITA "Sonnenblume" und die Schul-Horte "An der Elster " und "An der Lindenschule" gehören, das Kinderheim in der Liebknechtstraße und die Unterkunft für Wohnungslose in der Alten Berliner Straße. Spiritus Rektor ist noch immer Prof. Hubert Rohde, der trotz seines hohen Alters mit Kindern und Kindeskindern dabei ist.
Vorstandsvorsitzender des Dachverbandes dieses Trägerwerks für soziale Dienste ist RA Rudolf Dadder. Er wurde als Rechtsanwalt durch die Ereignisse der rassistischen Ausschreitungen von 1991 auf Hoyerswerda aufmerksam und engagiert sich seither für diese Stadt. Er gehörte zum Gründungs- Kreis der Studenten in Saarbrücken, der sich für die Kandidatur von Prof. Rohde für den Saarländischen Landtag stark gemacht hatten, wohnt jetzt im Weimar und ist nach wie vor daran interessiert, dass Hoyerswerda seinem negativen Ruf , eine rechtsextreme Hochburg zu sein, einen positiven entgegensetzt, dieses Anliegen betont er mehrfach. Als Medienwissenschaftler weiß er außerdem, dass diese Aktivitäten von der Stadt selbst ausgehen müssen, dass sich die Stadt diesem Ereignis stellen muss und deshalb begrüßt er die Initiative Zivilcourage und die Bemühungen der Stadt. Er weiß aber auch, dass es noch vieler, vieler Anstrengungen von innen bedarf, um den Blick von außen auf diese Stadt zu verändern. Schade nur, dass das Erinnern so spät einsetzt, wenn die Ereignisse schon ein ganzes Stück im Brunnen der Vergangenheit versunken sind.
122Angele Potowski und Antje Bredemann lesenDie Kindergruppe vor dem Schloss HoyerswerdaAn der Krabatmühle mit Gertrud Winzer und dem Schwarzen Müller

Das Anliegen des Ensheimer Kreises ist also eines, das nachhaltig wirken soll und offen ist besonders für die Bedürfnisse der Schwachen in der Gesellschaft. Deshalb besteht eine enge Verbindung zu den genannten Sozialen Diensten und zum Bertuch-Verlag in Weimar. In diesem kleinen, aber feinen Verlag liegt das Augenmerk ganz im Sinne des Gründers Friedrich Justin Bertuch, des bedeutenden Verlegers der Goethe-Zeit, auf einem vielseitigen Angebot an Fachzeitschriften, Weltliteratur für junge Leser und an Sachbüchern für Politik und Soziales, in dem auch dem eigenen Schriften publiziert werden. Eine junge Frau, Anna Hein, ist eine vorzüglich ausgebildete Mitarbeiterin dieses Verlages und persönliche Referentin von Rudolf Dadder, sie bereitete mit jugendlicher Frische die Tagungsinhalte für die Tagung in der Lausitz vor, wobei bei diesen Treffen jeweils die Region mit ihrer Geschichte im Mittelpunkt steht. 
Und so kam Martin Schmidt vom Hoyerswerdaer Kunstverein über die mehr als 1000-järige Geschichte der sorbisch-deutschen Lausitzen zu Wort und stimmte die etwa 80 Gäste auf ihren Besuch in Hoyerswerda ein, indem er dem über Jahrhunderte währenden Zusammenleben von Sorben und Deutschen, Katholischen und Evangelischen, von Bauern und Handwerkern in der Lausitz anhand der Literatur nachspürte, denn, was bleibt, stiften die Künstler. Aber ergründen konnte auch er nicht alles, wozu er die Anfangszeilen des Romans "Josef und seine Brüder" von Thomas Mann zitiert: Tief ist der Brunnen der Vergangenheit, sollte man ihn nicht unergründlich nennen? ... denn mit unserer Forscher- Angelegentlichkeit treibt das Unerforschliche eine Art foppendes Spiel... weil hinter jeder lehmigen Dünenkulisse ... neue Weiten zu neuen Vorgebirgen vorwärts locken.
Verlocken wollte Martin Schmidt mit seinem Vortrag zu den Sagen und Märchen der Lausitz, zu den sorbischen Dichtern, zu den sorbischen Flüssen und Landschaften, die diese besungen haben, zu den sorbischen Pfarrern und Priestern, zu Sechs-Städte-Bund und Brüdergemeine, zum Wirken der Klöster bis heute, zu Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Philosophie.
Bis auf den unergründlichen Grund zu gehen gelang ihm also nicht, aber ein lebendiges Bild der Lausitz von gestern und heute zu vermitteln sehr wohl. Die gut ausgewählten Texte der Dichter in sorbischer und deutscher Sprache, sehr ansprechend vorgetragen von Angela Potowski, Antje Bredemann und Roza Domascyna, zeugen vom geistigen Reichtum dieser Region.
Im Gespräch mit Herrn Volz, einem katholischen Priester aus St. Ingbert stellt sich heraus, dass das Saarland mit seiner Lage zwischen der deutschen und französischen Kultur große Ähnlichkeit mit der Geschichte der Lausitz hat, Ähnlichkeit auch im problemlosen Zusammenleben von Protestanten und Katholiken. 
Berührungspunkte der Stadt Hoyerswerda mit dem Ensheimer Kreis gibt es noch weitere, die Stadt Dillingen, Partnerstadt von Hoyerswerda seit 1988, liegt nur unweit von Saarbrücken entfernt, wie alle Städte im Saarland, wie man hört und Bürgermeister Thomas Delling ist Mitglied im Aufsichtsrat des Dachverbandes der Trägerwerke für Soziale Dienste. Zudem liegt Saarbrücken an der via regia, die auch weite Strecken der Lausitz durchquert.
Grund genug also, die Gäste würdig in Hoyerswerda würdig zu empfangen und von ihrem Engagement für die Stadt zu profitieren, und damit zu investieren in die Zukunft der nächsten Generation. Denn auch das ist eine wunderbare Erfahrung mit diesem Ensheimer Kreis, die Investition in die Jugend. Zu den jährlichen Seminaren reisen Kinder und Enkelkinder mit, belegen ein eigenes Seminar und wachsen so in die Aufgaben des Kreises fast spielerisch hinein. Organisiert werden die Treffen des Ensheimer Kreises souverän von Hannelore Eckert, einer ehemaligen Mitarbeiterin der Rundfunkanstalten der DDR und erstes ostdeutsches Mitglied in diesem Kreis. Oberbürgermeister Stefan Skora ließ es sich also nicht nehmen, den Kreis im Schloss Hoyerswerda aufs Herzlichste zu begrüßen und Elke Roschmann erzählte sehr erfrischend und sachkundig in einem kurzen Streifzug die Geschichte der Stadt Hoyerswerda, der allen gut gefiel. Fragen nach Konrad Zuse oder Brigitte Reimann werden von den Mitgliedern des Kreises fast einhellig mit guter Kenntnis beantwortet, aber auch hier immer wieder der Hinweis, in der Öffentlichkeit das positive Potential der Stadt wirksamer zu gestalten.
Gelungen war auch der Besuch der Krabat-Mühle Schwarzkollm, bei dem das Engagement von Frau Winzer, des Schwarzen Müllers und des gesamtem Ortes die Besucher beeindruckte, Geschichte nicht nur als spirituelle Angelegenheit, sondern zum Anfassen.