Strittmatter im Gespräch

Prof. Carsten GanselAm Mittwoch dieser Woche besuchte der Gießener Literaturwissenschaftler Professor Carsten Gansel den Hoyerswerdaer Kunstverein, um mit den Literaturfreunden der Region über den Schriftsteller Erwin Strittmatter und sein Werk zuThema des Abends sprechen. Beiden Partnern ging es um einen sachlichen Gedankenaustausch zu einem Thema, das andernorts emotional behandelt wird. „Es geht um Erwin Strittmatter oder Vom Streit um die Vergangenheit“ lautete das Motto, der Titel des neuesten, an jenem Abend erstmals öffentlich vorgestellten Buches von Carsten Gansel und Matthias Braun. Förderlich für einen Dialog war, dass der erfahrene Hochschullehrer sowohl auf Power-Point-Präsentation verzichtete, als auch auf das Vorlesen eines Manuskripts. Dafür bot er in freiem Vortrag zahlreiche Gedankenanstöße, der immer wieder zugunsten von Dialoge mit seinen zahlreichen Zuhörern unterbrochen wurde. Im Vergleich zu dem ersten deutsch-deutschen Literaturstreit Anfang der 90er Jahre, bei dem über die DDR-Literatur diskutiert wurde, indem Christa Wolf genannt wurde, ginge es in den jüngsten Disputen wirklich nur um Erwin Strittmatter, sein Leben und die Aussagen dazu in seinen Büchern. Dabei - so räumte der Kenner ein – wäre auch Günter Grass zu nennen, der im 2. Weltkrieg als junger Mann Angehöriger der SS war, dies aber erst nach Erhalt des Literatur-Nobelpreises bekannt machte. Strittmatter verschwieg Ähnliches bis zu seinem Tode , obwohl er nach 1990 dazu die Möglichkeit gehabt hätte, ohne Folgen zu befürchten, wie er sie kurz nach dem Kriege in der DDR zu erwarten hatte. Anhand von Zitaten des Autors bewies Carsten Gansel einerseits das Verschweigen von Kriegsverbrechen, an denen das Bataillon 325 des SS-Polizei-Regiment 18 möglicherweise beteiligt war, bei dem der Autor als Schreiber gedient habe. Er bewies auch, dass Widersprüche bei der Schilderung des Kriegsendes bekannt wurden. Diese Fragen und mehr betrachtete er unter den Begriffen „Wunschbiographie“ bzw. „Autobiographischer Pakt“. Die Erinnerung werde nicht nur aus Erlebtem gespeist, sondern auch aus später Gehörtem, Gelesenem und in Filmen Gesehenem. Dies müsse man auch einem Schriftsteller einräumen. Von deren Kritikern sie zu fordern, dass sie die Bücher eines Autors gelesen haben, ehe sie darüber urteilen. Der Literaturwissenschaftler wies auf einige Schwächen in den Büchern des Autors, auf gelegentliche krasse Schwarz-Weiß-Darstellung literarischer Personen hin, auf Ausweichen in Idyllen, wie am Schluss des Romans „ Wundertäter III. Das Verhalten gegenüber Freunden sei nicht nachvollziehbar. Einige Frauengestalten seien von Strittmatter ideologisch hart und unnachsichtig geschildert, merkte der Literaturfachmann an. Die sehr lebhafte und lange Diskussion drehte sich darum, solche Fakten in den Büchern wie auch die offenen Stellen in der Biographie zu benennen, jegliches Moralisieren jedoch zu vermeiden. Auch Strittmatter hatte unter Unverständnis und Beobachtung zu leiden, man müsse immer Person und Werk zusammen betrachten.

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.