Begegnung der Künste – Theater in der Fotografie

Klemens RennerPhoto graphain bedeutet mit Licht schreiben oder malen, sich mitteilen. Der Fotoapparat – gleich welcher Ausführung – ist Werkzeug, das Auge des Fotografen entscheidet; lässt handeln. Dem Maler gleich wählt der Fotograf Motiv, Malfläche, Farbe, Formen, Linien, Farbauftrag usw. Beide - Maler wie Fotograf - vertrauen ihren Augen, ihrem Sinn für Sichtbares. Sie teilen sich mit ihren Bildern mit: Beide „komponieren“ ein Ganzes, sie bilden nicht ab, sondern schaffen Neues. Dieses Ziel kann auf ebenso vielen verschiedenen Wegen erreicht werden wie es leidenschaftlich, schöpferisch begabte Foto-Künstler gibt, die mit ihrer Kamera „sehen“ können. Sie malen mit Licht, für dieses, für Farben und Formen sind ihre Augen besonders sensibel. Mit Goethes „Türmer“ können sie sprechen: „Zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt..“. Wie in jeder menschlichen Mitteilung ist der Künstler-Fotograf Teil dessen, was er schafft, er prägt den Inhalt seiner Botschaft. Diesen Zusammenhang sollten wir angesichts dieser Ausstellung, die sich mehreren Künsten widmet, bedenken. Sie präsentiert Arbeiten eines erst 23 Jahre jungen Mannes in einer Kunstrichtung, die erst seit 200 -150 Jahren existiert. In dieser kurzen Zeitspanne des Bestehens der Fotografie - angesichts der Jahrtausende Jahre alten Geschichte der Kunst - entwickelten sich bereits zahlreiche Stilrichtungen. Von den großen Kunstepochen der Moderne abgesehen, die sich auch in der Fotografie finden, sind es z.B. die Dokumentar-, Reportage-, Porträt-, Industrie-, Architektur-, Mode-, Werbe-, Akt-, Natur-, Landschafts-, Genre- und Experimentelle Fotografie. In jeder dieser Kunstrichtungen schufen und verwirklichen ihre Vertreter eigene Handschriften, entdecken immer neue Darstellungsweisen. 
Fotografie ist die Leidenschaft von Klemens Renner, sein Hobby – wie es in Neuhochdeutsch heißt - seit vielen Jahren. Der in Senftenberg Aufgewachsene studiert an der BTU Cottbus im sechsten Semester Architektur. Bereits früh wandte er sich der Fotografie zu, bewies sein Können z.B. mit Architekturaufnahmen in Kirchen, die Friedrich Press gestaltet hatte, mit fotografischen Reproduktionen von dessen sensiblen Lithographien, von Aquarellen Bernhard Vogels, Skulpturen von Ernst Barlach, Käthe Kollwitz, von Gemälden einiger Künstler der Lausitz, schuf Landschaftsfotos und erprobte in Ballettsälen Bewegung höchster Geschmeidigkeit fotografisch zu erfassen. Seit 2009 konzentriert sich er sich auf die Porträtfotografie, um – wie er sagt - “Menschen Martin Schmidt hält die Laudatiozu porträtieren, die sich engagieren, die andere mitnehmen, die etwas bewegen.“ Porträts von Sewan Latchinian, dem Regisseur Andreas Dresen, Frau Dr. Hessler, die Intendantin der Semperoper und dem Ballett jenes Hauses, von Mutter Benedicta Waurisch, die Äbtissin des Zisterzienserinnen-Klosters Marienstern und dortigen Nonnen, der Schauspielerin Stefanie Stumph, Musikern, Kunstwissenschaftlern, eben von Zeitgenossen. Zu einzelnen Themen und Berufen schuf und schafft der Fotograf Serien. Sie lassen deutlicher als Einzelaufnahmen das Anliegen des jungen Mannes erkennen. Zu letzteren zählen die hier gezeigten Blicke „hinter die Kulissen der Neuen Bühne“: 28 Schwarz-Weiß-Aufnahmen dieser Ausstellung entstanden bei den Vorbereitungen zum 6. Glück-auf-Fest der Neuen Bühne Senftenberg 2009 mit Werken des Dramatikers Christian Dietrich Grabbe und 19 farbige Porträts zum 7. Fest „Sehenswürdigkeiten“ 2010 mit Werken russischer Autoren. Klemens Renner erhielt noch als Gymnasiast vom Intendanten Sewan Latchinian - nachdem dieser erste Bilder des ehemaligen Schüler-Praktikanten gesehen hatte - die Zustimmung, im Theater fotografieren zu dürfen. Diese Ausstellung sieht Klemens Renner als Dank an den Intendanten, sein Team und für das geschenkte Vertrauen. Letzteres war groß, denn Kunst und Kunstwerken in ihrer Eigenart, ihrer Sensibilität, ihrem Anliegen gerecht zu werden, ist eine eigne Kunst. Nur ein brennendes Streichholz kann ein Feuer zünden, sagt der Volksmund.
Dem Fotografen helfen weder Texte noch Regieanweisungen, sondern das Entdecken von Situationen, Begegnungen, von Menschen im Dialog. Das Fotografieren darstellender Kunst erfordert vor allem und immer wieder: beobachten, Schauen, dem Ablauf folgen. Weder Text noch Pose interessieren den Fotografen, sondern gezeigte Situationen, Begegnungen, Menschen im Dialog. Nur Sekunden stehen ihm zur Verfügung, um flüchtige Augenblicke auch zufälligen Geschehens festzuhalten, dass menschliches Verhalten beim Betrachten nachvollziehen lässt. Das ist nicht planbar, nicht zu erstellen oder einzuüben, nicht der denkende Kopf, allein die Augen, Einfühlen und Empfinden sind erforderlich. Der französische Autor Paul Valery erkannte bereits vor 100 Jahren: Neu Bühne Senftenberg. Vorbereitung Glück-Auf-Fest GRAB(B)E 2009“Die meisten Leute nehmen viel häufiger mit dem Verstand als mit den Augen wahr.“ Würde der Fotograf Gegenstände, Personen zu einander ordnen, in besonderes Licht setzen, drapieren, Sujets hinzufügen, schüfe er ein Bild seiner Vorstellung, seiner Sicht auf die Welt, auf die Dinge. Er schaut nicht mit den Augen auf das Vorhandene, sondern gestaltet nach seinem Verständnis Makro- wie Mikrokosmos. Er bleibt bei sich selbst. ‚Nichts Neues unter der Sonne‘, sagt dann der Volksmund und Goethe „ich schaffe mir Menschen nach meinem Bilde“. Jene Hybris ist Klemens Renner fremd. Die Partner entscheiden, was, wie und wo sie sich zeigen, nicht der Mann hinter der Kamera. Diese Zurücknahme des Fotografen akzeptiert den Anderen als Dialog-Partner. Er sagt: „Ich möchte den Menschen zeigen, wie er vor mir steht, sich mir zeigt, seine Inneres, nicht sein äußeres Bild, was ihn bewegt, was seine Haltung erzählt von seinen Wünschen , Träumen, Ideen, dieses zu verwirklichen“. Klemens Renner: schaut, beobachtet, bleibt ruhig. Er verzichtet auf Blitzlicht, auf Scheinwerfer, Spiegel, auf Draperie, Dekoration, auf Ausstattung, auf besondere Räume, nicht Maske oder Pose. Er braucht keinen besonderen Text, denn er lebt mit den Augen nicht mit den Ohren. Jede Person wird von ihm in der Haltung, Kleidung, Situation, in der Umgebung fotografiert, die sie für richtig hält. „Ich unterhalte mich mit meinem Gegenüber, bis ich fotografiere. Dann schweigen wir beide. Die Schauspieler müssen so viel reden am Tag, also schweigen wir beim Fotografieren lieber“. Diese Selbstzurücknahme ehrt ihn. Er bleibt unsichtbar. Der Betrachter kann später an seine Stelle treten, um nachvollziehen zu können, was der Fotograf festhielt.
Die 47 Arbeiten dieser Ausstellung entstanden auf diese Weise. Auf den Bildern sehen wir jene, die uns als Könige oder Übeltäter, als Helden oder Geschlagene, übermütig oder kleinlaut auf der Bühne, auf den Brettern die die Welt bedeuten, begegnen können. Die Porträts entstanden für einige Akteure in ihrer Garderobe; kurz vor ihrem Auftritt. Der Betrachter könnte bei einigen die innere Spannung spüren. Nachdenklich, fragend schauen einige, ein wenig keck über die Schulter blickend, andere in Gedanken versunken, locker, still oder neugierig, innere Unsicherheit – gewiss uneingestanden - bei dem einem, bei dem anderen stille Heiterkeit, Gelassenheit. Gespannt, was da kommt, schaut der eine, fröhlich posierend – mit oder ohne Kostüm - der andere. Nicht immer In der Garderobe 1In der Garderobe 2In der Garderobe 3In der Garderobe 4gelingt vorsichtig gespielte Gleichgültigkeit, da bleibt ein Fünkchen Erwartung. Keiner weiß, wie er auf dem Foto aussehen wird, wie er sich zeigt, alle wenden sich vom Spiegel ab. Sie wirken locker, doch nicht lässig. Seltsam, keine Person scheint zu spielen, zu posieren, sich selbst zu inszenieren. Klemens Renner zeigt sie als Mensch, „vorurteilsfrei“ würde Lessing sagen. Klemens Renner zeigt mit seinen Einzelporträts Gesprächspartner, die nicht reden müssen. Man möchte ihnen zuhören oder zuschauen, sich auf einen Tee mit ihnen setzen, dem Gedicht von Reiner Kunze folgen: Einladung zu einer Tasse Jasmintee: „Treten sie ein, legen sie ihre Traurigkeit ab. Hier dürfen sie schweigen“.
Ein Bild mahnt auf schwarzem Grund in roten Buchstaben „RUHE“. Der Fotograf schaut aus den Kulissen auf das Geschehen auf Hinter- und Neben- Bühne. Er zeigt Schauspieler beim Singen zur Gitarre, beim Betrachten von Requisiten, beim Warten auf ihren Einsatz. Es herrscht konzentrierte Aufmerksamkeit, drei Akteure beobachten gespannt eine Szene, die wir nicht sehen, jeder von ihnen stützt sich auf die Schulter des anderen, sie scheinen im gleichen Rhythmus zu atmen. Selbst in Pausen herrscht Konzentration, nur gelegentlich ein Lächeln, mehr Fragen. Man folgt einer Bild-Aufzeichnung, sinnt über einen Text nach, hält gedankenversunken eine Tasse in der Hand. “Man kommt tiefer zueinander durch Schweigen, beim Smalltalk kann man diese Nähe nur kaputt machen“, reflektiert Klemens Renner und zeigt daneben, wie aufmerksam, einfühlsam, kritisch und offen zwei Regisseure einer Diskussion folgen. Theater ist nur in sehr seltenen Fällen Kunst einzelner Protagonisten.“Den König spielen die Anderen“ heißt es zu Recht – nicht nur auf dem Theater. Daher wanderte unser Fotograf zwischen den Kulissen, in die Garderoben, in die Schmink- und Pausenräume. Er schaute denen zu, die sich ausruhten, und denen, die gespannt einer Szene folgten. Er sah Schauspieler beim Gespräch, beim Lesen ihres Textes, versunken in gespanntes Nachdenken. Doch es gibt keine Bilder von der Szene auf der Bühne. Klemens Renner bleibt bei denen, die nicht agieren, die beobachten, mitdenken, sich zeigen, wie sie sind, nicht was sie auf der Bühne zeigen müssen. Dort müssen sie dem Autor, dem Regisseur, ihrer Vorstellung, einer Diskussion oder Situation folgen. Wo Klemens Renner sie fotografiert, sind sie bei sich selbst, vor oder nach ihrem Auftritt. Wir sehen, wie gemeinsam Kunst geschaffen, geprüft, um sie gerungen, gelegentlich wohl auch gestritten wird. Theater setzt harte Arbeit voraus, die wächst, je leichter sie uns Zuschauern erscheint. Da herrschen Leidenschaften, Enttäuschungen, Trauer und gelegentlich wohl auch Zorn. Die Boulevard-Presse ist voll solchen Tratsches, aber nicht der Künste. Das ist kein Gegenstand dieser Ausstellung. Klemens Renner fotografiert Friseure, Maskenbildner, Tontechniker, Beleuchter, Kostümgestalter, Ausstatter, Musiker. „Alle tragen im Theater mit ihrer Arbeit Verantwortung für das Gelingen des Gesamtkunstwerkes“, sagt der aufmerksame Begleiter. Auf manchen Bildern schauen die Akteure zur unsichtbaren Bühne, nicht zum Betrachter. Sie bemerken den Fotografen nicht. In dieser Ausstellung tritt der Betrachter an dessen Stelle. Er erlebt als Beobachter durch die Fotokunst die Atmosphäre, in der ein Kunstwerk entsteht. Nur Kunst kann Kunst mitteilen, sowohl die der Worte wie die des Schweigens. „Alles hat seine Zeit“, sagt die Bibel. Der Regisseur und sein Assistent hocken auf Stufen, schauen gespannt, horchen konzentriert, erlauben sich keinen Seiten-Blick. Alles geschieht auf der Bühne, dort wird ein Bild der Welt geschaffen, das fesseln, erfreuen, nachdenklich machen soll. Die Fotografien von Klemens Renner halten Schritte dazu fest. Selbst im Gegenlicht, gegen die Bühnenscheinwerfer, gegen das helle Fenster, gegen den Zwiegespräch?Zwischen Kontrabass und TubaWiderschein einer Szene, und trotz Verzicht auf Blitz oder Beleuchtung sind die Gesichter, die Personen im Dunkeln zu erkennen. Licht und Schatten werden geschickt gemeistert, ohne harte Konturen zu schaffen. Der Fotograf vermittelt, weiß um Gegensätze und um deren Ausgleich. Er wartet auf den günstigen Augenblick, die Gunst der Stunde. Sein Geheimnis heißt Ruhe. Zerstörerische Unruhe scheint er nicht zu kennen, er räumt ihr keine Chance ein. Seine Bilder vermitteln die schöpferische Atmosphäre eines Theaters. Er baut mit seinen Bildern Brücken zwischen den Künsten und dem Alltag. Die Spannung, die in dem und um das Schöpferische lebt, teilt sich den Betrachtern mit. Klemens Renner schaut mit offenen Augen und bannt mit der Kamera Unvergessliches manch flüchtiger, menschlicher Begegnung. Zwischen einem Kontrabass rechts und einer Tuba-Trompete sehen wir sinnend, in sich gekehrt den Musiker, als lausche den Tönen, die er beiden entlocken könnte. Der empfindsame Betrachter könnte sie innerlich zu hören. Dies ist für mich eines der eindrucksvollen Bilder der Ausstellung. Ein stiller Zauber liegt - wie eine leise Melodie - über diesem Bild wie über anderen Aufnahmen. Sie künden von der Liebe zur Kunst, zu der sie selbst gehören. Auf diese machen sie neugierig, während der Fotograf seine eigene schafft. „Alle Künste“, sagt Bert Brecht, “dienen der einen, der höchsten, der Lebenskunst“. Folgen wir seinem Wort.

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