Von erzählerischem Können, sprudelnder Fantasie und dramatischer Vielfalt

Dr. Wolfgang Wessig

Die guten Dichter zweiten Ranges bleiben am Rande, so hat es Arno Schmidt einmal formuliert. Und eben diese Dichter zweiten Ranges versucht Dr. Wolfgang Wessig seit Jahren lebendig zu erhalten. So hatte er eigentlich vor, den Dichter Leopold Schefer (1784-1862) vorzustellen, der ein Freund von Hermann Fürst von Pückler-Muskau war und die Novelle "Graf Promnitz, der Letzte des Hauses" über eben diesen seinen Freund geschrieben hatte und auch zu den vergessenen Schriftstellern unserer Region gehört.
Interessanterweise findet sich aber dann das gleiche Thema bei Jakob Wassermann  (1873-1934) wieder, in der Erzählung „Die Geschichte des Grafen Erdmann Promnitz“. Und so wird der Abend dem ebenso fast vergessenen Jakob Wassermann gewidmet, der in seiner Zeit einer der meist gelesenen Autoren war, befreundet mit Thomas Mann und Rainer Maria Rilke. Er begann als Redakteur der Zeitschrift "Simplicissimus" zu schreiben und veröffentlichte später unzählige Romane und Novellen, die begeistert aufgenommen wurden. Denn Jakob Wassermann verstand sein Handwerk, er wusste, das Leser spannende und skandalumwitterte Ereignisse erwarteten, dass dabei eine Menge pikante Historie mitspielen konnte und dass Ironie und Betrachtung der eigenen modernen Zeit durchaus überschwänglich, moralisierend oder philosophisch dargeboten, zum Erfolg führen können.
Die von Promnitz herrschten im Mittelalter an der Elbe, in der Lausitz, in Schlesien und Hoyerswerda, nachweislich auch in Fürth, dem Geburtsort von Jakob Wassermann, so dass es über die von Promnitz einen Bezug zwischen Wassermann und der Lausitz gibt. Im 17.Jahrhundert taucht in der Linie der von Promnitz der Name der von Pückler auf und Graf Erdmann in der Erzählung ist der letzte Spross dieses Adelsgeschlechts, eben "unser" Fürst Pückler aus Muskau und Branitz. 
Wir erleben nun die spannenden Anekdoten, die sich um seine Gestalt ranken aus dem Mund Jakob Wassermanns und er hat sicher ein paar eigene Ranken dazu gewunden, aber geistreich und spannend. Allein, wie er den pietistisch erzogenen jungen Erdmann ein Altarbild mit Adam und Eva betrachten lässt, "mit Augen, in denen die Glut eines Jakobiners zu finden ist neben der Melancholie einer Nonne" ist eine literarische Kostbarkeit, ebenso die Schilderung der Reise mit einem jungen Herrnhuter Priester nach Paris, wo er auf einen jungen Tänzer trifft, der während der Hinrichtung seines Vaters tanzen muss und dem Erdmann dann das Studium der Astronomie ermöglicht. Dieser weiht ihn später in das fantastische Zusammenspiel von Sternen und Mathematik ein und in die Wunderwelt des Kosmos.
Einen Höhepunkt des Vortrags von Dr. Wessig bildete die Szene der Übernahme der Standesherrschaft durch Erdmann nach dem Tod des Vaters. Erdmann wird den Honoratioren vorgestellt, voll bissiger Ironie wird einer nach dem anderen beschrieben. Dazwischen die ketzerischen Gedanken Erdmanns eingeblendet, ergibt sich ein lebhaftes buntes Bild, in der Vortagsweise von Dr. Wessisg zum Greifen nah und plastisch, so wie Theater und gute Literatur eben sein sollte. Ein Danke schön dafür der besonderen Art.
Jakob Wassermann stirbt 1934, bereits 1921 berichtet er in seiner Autobiographie " Mein Weg als Deutscher und Jude" von dem vergeblichen Versuch, gleichzeitig Jude und Deutscher sein zu können, also lange vor einer Zeit, die mit dem Namen Hitler verbunden ist. Es kam also nicht über Nacht, auch wenn "sie über eine Weile das Gift des Hasses gegen die Juden wegkippen, sie brauen neues". Seine Bücher wurden 1934 verbrannt und dann vergessen. Heute bemühen sich einige Wenige, das zu ändern, dazu gehört auch Dr. Wessig. 
Es ist zu vermuten, dass die Historiker aus Branitz, Volkmar Herold und Christian Friedrich, diesen von Wassermann beschriebenen Lebenslauf Pücklers mit gemischten Gefühlen lesen, denn er vermittelt nicht viel von dem, was Pückler ausmacht, den hervorragenden Landschaftsgärtner und den überaus interessanten Reiseschriftsteller, aber vielleicht doch etwas von seiner Vitalität, sowohl geistig als körperlich.