Was geschieht, geht mich an.

Zu einer Zeit, in der es beinahe verboten war, ein Mensch zu sein ist einer da, der gedenkt, der Schriftsteller, Pfarrer und Kriegspfarrer Albrecht Goes (1908-2000).Gespräche mit Jürgen Israel (Mitte) beim Kunstverein Hoyerswerda zu seinem Vortrag über Albrecht Goes 
Anlässlich des 10. Todestages von Albrecht Goes hat der Publizist Jürgen Israel Leben und Werk dieses außergewöhnlichen Autors des 20. Jahrhunderts gewürdigt und seine Betrachtungen beim Kunstverein in Hoyerswerda vorgestellt.
Erstaunlich aktuell wirken die Gedichte und Erzählungen, die an diesem Abend zu hören sind, die man eigentlich zu kennen glaubte und nun über deren mahnende und zugleich poetische Atmosphäre staunt. Erstaunlich deshalb, weil hier ein Mensch Menschen beschreibt, die ihn angehen, ohne Ansehen der Person, angehen in ihren Ängsten und Nöten und in ihrer letzten Stunde. Von einer solchen letzten Stunde handelt die Novelle „Unruhige Nacht“, veröffentlicht 1950 aus den Erfahrungen des Kriegspfarrers, der den fahnenflüchtigen Soldaten der deutschen Wehrmacht, Baranowski, in seiner letzten Nacht in der Ukraine zum Erschießen begleitet. Ein solch junger Mann, er wäre nicht schuldig geworden, hätte es nicht hat diesen unsinnigen Krieg gegeben, hätte er nicht einer ukrainischen jungen Frau und ihrem Kind beistehen wollen, deren Mann die Deutschen erschossen hatten und bei der er zum ersten Mal in seinem Leben Geborgenheit findet. In dieser Geschichte einer unruhigen Nacht sind weitere für den Krieg charakteristische Lebesspuren zu finden, der Hauptmann Brentano und seine Verlobte Melanie, denen für ihre Liebe genau 12 Stunden vor dem Abruf Brentanos nach Stalingrad bleiben. Da ist der Major Kartuschke, dem der Krieg zum Lebenselixier wird. Was geschieht mit diesen Kartuschkes in diesem Heer? Und was geschieht nicht? Durch uns nicht? Dies ist eine zentrale Frage im Schaffen von Albrecht Goes: „Wie schuldig sind wir? Was haben wir getan? Da muss ein Handtuch her, so groß wie ein Leichentuch, für so viele Hände, die sich in Unschuld waschen wollen.“
Eindringlicher noch fragt Goes nach der Schuld in der Erzählung „Das Brandopfer“, in der die Metzgersfrau Walker, im einzigen Laden, in dem die Juden der ganzen Stadt eine spärliche Ration einkaufen dürfen, mit Menschlichkeit und Wärme ihre Kunden bedient, mit der Ausbreitung des Grauens nicht fertig wird und sich selbst als Brandopfer darbringen will, nachdem so viele ihrer Kunden diesen Weg gehen mussten. 
Jürgen Israel hat, genauestens wie immer, Leben und Werk von Albrecht Goes den Zuhörern auf berührende Weise neu erzählt, wofür ihm mit langem Schweigen und herzlichem Beifall gedankt wurde. 
Jürgen Israel „Albrecht Goes - Die DDR und das Judentum“, bei AphorismA-Verlag, Erinnerungen, ISBN 978-3-86575-850-7

Im hier angefügten Video ist Jürgen Israel mit dem bekanntesten Gedicht von Albrecht Goes zu hören: „Aber im Winde das Wort“, geschrieben 1930.



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