Gespräch mit Freya Klier


Freya KlierAm 16.Juni 2011 gestaltete der Hoyerswerdaer Kunstvereins gemeinsam mit dem Bildungswerk für Kommunalpolitik Sachsen ein Gespräch am Kamin, um mit Freya Klier über eine aktive Bürgergesellschaft nachzudenken.
Für Gast und Gastgeber begann solch gemeinsames Erwägen von Ideen und von Schritten in der Wirklichkeit vor 35 Jahren. Beiden waren sich im kleinen Theater der Bergarbeiter Senftenberg bei Proben begegnet und hatten sich – trotz allen Turbulenzen der Zeit – nicht aus den Augen verloren, setzen den Dialog miteinander fort, von außen erzwungene Pausen blieben wirkungslos.
An diesem Vorabend des 17.Juni kam der Gesprächskreis zusammen, um sich an Vergangenes zu erinnern, zukünftige Aufgaben zu bedenken und gemeinsam zu fragen, wie lange Diktaturen in Handlungs- und Lebensweisen Jüngerer und der Gesellschaften fortwirken?
Die Rednerin erinnerte sich an ihre Kindheit in der frühen DDR, an das nahezu inflationär gebrauchte Wort Frieden in Friedenstaube, Friedensfahrt, Friedensgrenze, Friedensappelle bis hin zu Friedenskampf, ein Wort das ein Widerspruch in sich sei. Die erste Kindergeneration nach dem Krieg im Osten wurde problemlos eine Verbündete der DDR.
Der Aufstand vom 17. Juni 1953 spielte für sie kaum eine Rolle. Er fand keinen Zugang zu den Köpfen der jungen Leute, zumal die DDR die Initiatoren jenes Protestes offiziell en bloc als Arbeitsscheue, alkoholisierte Gewalttäter, aus Gefängnissen entwichene Häftlingen oder als rechtkräftig verurteilte SS-Mörder usw. verleumdete. Im DDR-Rundfunk war einen Tag später zu hören: „Gestern wurde ein politisches Abenteuer verhindert, das zum Weltbrand hätte führen können.“ Weder erfolgte eine Analyse der Ereignisse, noch wurden Ursachen und Wirkung untersucht. Zuhörer mochten sich Bert Brechts satirischen Wortes erinnern - wenn das Volk das Vertrauen der Regierung verloren hätte und es sich neu erarbeiten müsse, warum dann die Regierung nicht das Volk auflöste und sich ein neues wählte.
Freya Klier las Originaltexte vor, den Bericht eines unschuldig verhafteten und verurteilten 18jährigen Mannes, die Forderungen der Aufständischen. Sie verlangten Mitbestimmung in den Betrieben, gerechte Normen, nachprüfbare Entlohnung und Freiheit. Dagegen fuhren sowjetische Panzer auf.
Sie beschrieb die erste Nachkriegs-Generation, die von Aufbruchstimmung geprägt war, alte Fotos zeigen Menschen mit strahlenden, frohen Gesichtern. Schaue man dagegen Gesichter auf Fotos Ende der achtziger Jahre an, so wirkten diese zermürbt von Mangel, Enge, Schlage stehen usw., innerlich wie verschlissen, hoffnungslos. Sie zitierte einen Satz von Imre Kertesz aus jener Zeit: „Berlin hat keine Atmosphäre“.
Damit eröffnete sie einen Gedankenaustausch, der unterschiedlicher nicht sein konnte. Einige stellten positive Erfahrungen ihres Lebens vor, wollten individuelles Empfinden zum Bild der Gesellschaft erheben, während andere Gesprächspartner ihre bitteren Erlebnisse, die selbst erlittene Not der Bevormundung, des Abdrängens, des Verfolgens kritischer Fragen, die Unterdrückung der Geistesfreiheit dagegen stellten, ohne Arbeits- und Lebensleistungen Anderer in Zweifel zu ziehen. Auch damals standen Zeitgenossen mit Zivilcourage neben Opportunisten, Erfinder neben Bummlern, sozial Engagierte neben persönlichen Nutznießern, niemand bestimmt allein das Bild einer Zeit. Freya Klier erzählte von Landfrauen, die auch heute ohne zu klagen Probleme lösen, beschrieb Neuseelands offene Gesellschaft, in der Sozialleistungen ohne Hilfe des Staates erbracht und gesichert werden. Eine aktive Bürgergesellschaft benötige Zivilcourage, Mut Einzelner, Solidarität und tätige Hilfe aller für die Hilfebedürftigen der Gesellschaft. An dieser gelte es, sich zu beteiligen oder um mit Goethe zu sprechen: „Am Anfang war die Tat.“


Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.