Grenzgänge gleich mehrfach - Czesław Miłosz.

Dr. Wolfgang WessigDr. Wolfgang Wessig erinnert seit Jahren beim Kunstverein Hoyerswerda an weniger bekannte Schriftsteller der Grenzregion Polen, Tschechien und Deutschland. In diesem Jahr jährt sich der Geburtstag von Czesław Miłosz zum 100. Mal und nur Wenige kennen Namen und Wirken dieses polnischen Autoren, der 1980 den Nobelpreis für Literatur erhielt.
Mit seinem literarischen Wissen und der Auswahl seiner Texte machte Dr. Wessig neugierig auf einen brillanten Dichter des 20. Jahrhunderts. 
Geboren wurde Czesław Miłosz am 30. Juni 1911 in Wilna, dem heutigen Vilnius in Litauen, im damals zaristischen Russland, das ab 1920 zu Polen gehört und ab 1939 zu Litauen. Vilnius ist eine der ältesten Universitäts- und Kulturstädte Europas, liberal kulturell geprägt von Polen, Litauern, Weißrussen und Juden. Czesław Miłoszs Familie gehörte dem polnischen Kleinadel an und war demokratisch gesinnt. Nach dem Studium und ersten schriftstellerischen Arbeiten in Vilnius arbeitet er während der deutschen Besatzung im Untergrund in Warschau; sehr beeindruckend beschreibt er wie sich das Riesenrad in Warschau vergnüglich dreht, während der Rauch des brennenden Ghettos darüber hinweg zieht. Durch Untertauchen bei Jaroslaw Iwaszkiewicz entgeht er den Verfolgungen der Nazis. Nach 1945 arbeitet er in diplomatischen Vertretungen des neuen polnischen Staates in den USA und in Paris. Sein Denken und Handeln ist bald nicht mehr mit der stalinistischen Prägung seines Landes vereinbar, was ihn nun zum Konterrevolutionär stempelt. Das veranlasst ihn, 1951 in Frankreich um Asyl zu bitten. Hier kann er die sogenannte „Intelligentsia“ nicht dazu bewegen, sich mit der von Hegel geprägten  Dialektik  auseinanderzusetzen, was dieses Mal dazu führt, dass er seiner Familie in die USA nicht folgen darf, da er als „Kommunist“ nicht erwünscht ist. Später lehrt er an der Universität in Berkeley, Kalifornien, als Professor für Slawistik und erhält 1970 die amerikanische Staatsbürgerschaft. Sein Verhältnis zu Polen verläuft nach dem Erhalt des Nobelpreises 1980 ähnlich konträr wie vorher, das Verbot seiner Bücher wird aufgehoben und wieder verhängt. Nach der Wende pendelt er zwischen Berkeley und Krakau. 2000 wählt er Krakau zum Wohnort und stirbt dort am 14. August 2004. 
So überschreitet Czesław Miłoszs in seinem Leben die geografischen Grenzen ebenso oft wie die politischen Systeme ohne dabei sein eigenständiges Denken und HandelnImmer wieder spannend, die literarischen Grenzgänge von Dr. Wolfgang Wessig einem der jeweiligen Systeme unterzuordnen. Die Neugier auf Poesie und auf philosophisches Denken ohne Furcht in einem multikulturellen Selbstverständnis gibt seinem Leben Sinn; sobald der Mensch diese Neugier verliert, wird er durch Langeweile krank, ist seine Maxime. Ein Denken, was wiederum sehr genau alle Grenzen der menschlichen Erkenntnis auslotet, das verführte Denken von Diktaturen ebenso wie das des Geldes und des Konsums. Kaum einer hat die Zusammenhänge von der Wandlung einer humanistischen Idee über Macht und Beeinflussung des Menschen, seinem Dazugehören wollen durch Anpassung bis hin zum Fanatismus so genau beschrieben wie er bereits 1953 in seinem Buch „Verführtes Denken“, aus dem Dr. Wessig umfangreich zitierte. „Einen unliebsamen Dichter kannst Du töten, es kommt ein neuer“.
Ähnlich tiefgründig und genau sind seine lyrischen Werke, für die er maßgeblich den Nobelpreis erhielt, und seine vielfältigen Essays zu Kunst und Politik. Sein Buch „Das Tal der Issa“ ist eine Liebeserklärung an Litauen, sein Vaterland, das für ihn ein auch ein polnisches ist, es ist ebenso ein Bekenntnis zu Poesie und Lyrik und ein Bekenntnis zu Verstand und Transzendenz, zum Überschreiten der Grenze der sinnlichen Wahrnehmung durch das Denken.

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