Eine Lesung mit Dr. Wolfgang Wessig zu Artur Becker und Miroslaw Nahacz 

Dr. Wessig

Für einen Schriftsteller unserer Zeit ist sehr schwierig, gegen den Medienbetrieb anzuschreiben, gegen Bestseller und Quotenbringer, gegen Triviales und Geistloses. Aber immer wieder gibt es Autoren in der ganzen Welt, die das versuchen. Seit Jahren rückt Dr. Wessig diese geistreichen und beharrlichen Typen ins rechte Licht und weckt das Interesse für diese beim Kunstverein in Hoyerswerda. Zu ihnen gehören dieses Mal Artur Becker (geb. 1968) und Miroslaw Nahacz (1984-2007) aus Polen. 
Artur Becker ist ein geistreicher Erzähler, der in den polnischen Masuren geboren ist, heute in Deutschland lebt und Mitglied im P.E.N.-Zentrum ist. „Wodka und Messer. Lied vom Ertrinken“, sein neuester Roman, erzählt von Sehnsucht und Rückkehr eines Solidarnocz- Dissidenten in die polnische Heimat nach der transformacja, der polnischen Wende von 1989. Die Hauptperson des Romans, Kuba Dernicki verlor seine Geliebte Marta während der Flucht vor der Militärregierung Jaruzelskis. Als er jetzt zurückkommt, ist von den Idealen der Solidarnocz-Bewegung wenig geblieben. Fast unverändert allerdings findet er das Leben seiner Heimat wieder vor, eines Lebens, nur äußerlich zwischen Wodka und Messer, in vielen Dingen von der westlichen Lebensauffassung weit entfernt, dafür aber der Familie, dem Leben und dem Tod menschlicher verbunden, als er bisher glaubte. Artur Becker will etwas über jetzt und heute sagen, indem er die Zeit vor- und zurückdreht, über Kopernikus, Chopin und die leidvolle polnische Geschichte reflektiert, die zu seiner Heimat gehören wie der Dadaj- See und der Wodka.
Einer der jüngsten polnischen Autoren ist Miroslaw Nahacz, geboren 1984 im Süden Polens, gestorben 2007 in Warschau. Sein Roman „Bombel“ ist ein geistreicher Schelmenroman. Bombel überschlägt sich fast beim Schwadronieren und ist selbst gespannt auf das, was er sich selbst erzählen wird. Nahacz steht damit in würdiger Nachfolge von Miguel de Cervantes (Don Quijote), Bohumil Hrabal (Die Baffler), Grimmelshausen (Simplicissimus) und nicht zuletzt auch von Heinrich Böll (Erinnerungen eines Clowns).
Das Warten an einer tristen Bushaltestelle wird für den am Rand der Gesellschaft lebenden Trinker Bombel zur Gelegenheit, seine Ansichten über die Welt, über Politik und Philosophie, über Sex und die Mutter Maria ausschweifend darzulegen. Er spinnt einen eigenwilligen Faden aus Phantasie und Wirklichkeit, den er immer wieder zurückspult zu sich selbst, zu Bombel, der an einer Bushaltestelle in einem Dorf in den Beskiden auf den Bus wartet. Der permanente Erzählfluss des Helden Bombel ist laut Andrzej Stasiuk die „Waffe gegen das Schicksal“, möglicherweise war er auch der Schutz von Miroslaw Nahacz für sein eigenes Leben.
Der Roman ist die glanzvolle Parade eines 19-jährigen Autors, der sich im Alter von 23 Jahren das Leben nimmt, und um den die literarische Welt trauert.

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