Stefan Weinert zeigt seinen Dokumentarfilm „Gesicht zur Wand“.

Stefan Weinert und Ines Burdow

Der Hoyerswerdaer Kunstverein und das Bildungswerk Kommunalpolitik Sachsen luden am 22. März 2010 im Beisein des Regisseurs Stefan Weinert zur Aufführung seines Dokumentarfilms „Gesicht zur Wand“ ein. Im Film kommen fünf Stasi-Opfer exemplarisch für alle 72000 inhaftierten „Republikflüchtlinge“ der DDR zu Wort und erzählen ihre Geschichte. Die gezeigten Fälle beleuchten den Zeitraum von 1960/62 bis 1987. 
Die Protagonisten beschreiben ihre Auseinandersetzungen mit dem DDR-Regime, die sie schlußendlich zur Flucht aus staatlicher Bevormundung trieben. Sie stellen offen dar, welche Ereignisse und Gedanken sie in Konflikt mit dem System brachten, wie sich dieses Unbehagen bis zum schließlich unvermeidlichen Fluchtversuch verstärkte. Der Landwirt Lothar R. z.B. weigerte sich, in die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) einzutreten, Andreas B. durfte wegen politischer Unzuverlässigkeit nicht Regie studieren. Nach ihren missglückten Fluchtversuchen kamen alle Protagonisten in Stasi-Untersuchungshaft. Vor der Kamera schilderten sie -auch gegen innere Widerstände- die schlimmen Haftbedingungen, das Ausgeliefertsein und ihre Ohnmacht gegenüber dem Stasi-Apparat. Das erste Ziel der Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit nach der Verhaftung war die Desorientierung der Gefangenen. Dann folgte die systematische Zerstörung der Seele der Menschen bei zermürbenden Verhören und durch unwürdige Behandlung. Den Verhafteten wurde angedroht, ihren Ehegatten, Eltern, Geschwistern oder Kindern Leid zuzufügen. Sie bekamen kaum Informationen von draußen und durften nur selten und kontrolliert Kontakt zur Familie aufnehmen. Ob sie je freigekauft werden würden, war für jeden einzelnen völlig ungewiss. Selbst nach dem Freikauf durch die Bundesrepublik war den Betroffenen verboten, mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen. „Wir finden Sie überall!“, hieß es. Alle Protagonisten sagen aus, dass sie heute noch mit den Traumata ihrer Haft zu kämpfen haben, trotz der vielen Jahre, die seitdem vergangen sind. „Die Wunden auf der Seele sieht keiner“, äußerte die Lehrerin Anne K.
Stefan Weinert war während der Filmproduktion ein sorgfältiger Umgang mit seinen Interviewpartnern und deren Schicksal wichtig. Der Film vermeidet deshalb jede Belehrung und lebt von der authentischen Weise, wie die Betroffenen ihre Geschichten erzählen. Der Regisseur will „den Opfern eine Plattform geben“ und die ehrliche Diskussion über das Thema forcieren. Weinert erwähnte, dass er trotz intensiver Nachfrage keinen Fernsehsender zur Finanzierung des Filmprojektes gewinnen konnte. Das, so seine Meinung, dokumentiert die Haltung unserer Gesellschaft zur Aufarbeitung unserer jüngsten Vergangenheit. Stefan Weinert schuf ein wertvolles Zeitdokument, dass deutsch-deutsche Geschichte auf unspektakuläre, intensive Weise erklärt. Die Diskussion der Zuschauer gipfelte in einer alles umfassenden Bemerkung von Philipp Schlegel: „Gelebte Geschichte muss erzählt werden, noch haben wir Zeitzeugen. Geschichte wiederholt sich, wenn sie nicht aufgearbeitet wird.“

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