Ingrid Sonntag stellt beim Kunstverein das Buch „Heimliche Leser in der DDR“ vor.

Ingrid Sonntag

Beim Gespräch am Kamin im Hoyerswerdaer Schloss, die der Kunstverein vor 17 Jahren initiierte und seither trägt, stellte am Donnerstag Ingrid Sonntag, Dozentin am Institut für Buchwissenschaft der Universität Leipzig, das Buch „Heimliche Leser in der DDR“ vor. Es ging aus einer Forschungsarbeit hervor, an der Studenten jenes Instituts beteiligt sind, die Texte vorlegten, die bewundernswert ein neues Kapitel unsere Geschichte erhellen.
Mehr als 50 Zeitzeugen wurden befragt, ihre Aussagen analysiert und zusammengetragen, was an Dokumenten erreichbar war. Als Ergebnis las Ingrid Sonntag Lebensläufe und Berichte vor, die manch Staunen und Wiedererkennen, Lachen und Kopfschütteln auslösten. Unklare Begriffe, fehlende Definitionen und mangelndes Wissen der Kontrollierenden schufen großen Aufwand, sehr viel Ärger, weckten aber auch – wie alle Verbote - Neugier auf Bücher, forderten zum Schmuggeln heraus.
Versuchten die einen wissenschaftliche Literatur, Bücher zu Geschichte und Philosophie, Kirchen theologische Kommentare zur Bibel oder Gläubige diese selbst in Länder zu bringen, wo sie verboten waren, so strebten andere nach Büchern, die von DDR-Autoren geschrieben waren, die im „Westen“ lebten und in der DDR nicht erschienen. Die Memoiren der Leute, die in Moskau die Stalinschen Prozesse in den dreißigen Jahren gegen die Gefährten Lenins, gegen Vertreter der Kommintern und gegen die eigene Leute erlebten, waren ebenso gefragt wie der Roman „1984“ von George Orwell. Aber es wurden auch Unterhaltungsliteratur, Modezeitschriften und Journale eingezogen – und von den Zollfahndern angeschaut. In den “Giftschränken“ der Bibliotheken wurde heimlich gelesen. Es war von Büchern zu hören, die mühsam abgeschrieben wurden, um sie zu haben und immer wieder lesen zu können.
Diese werden heute alle gekauft und stören kaum einen.
Das gedruckte Wort wurde damals überschätzt, sagten sich Zuhörer, um hinzuzufügen, dass die heutige Überfülle auf dem Bücher- und Zeitungsmarkt auch nicht immer die besten Ergebnisse nach oben spült. Leider muss der Staat auch immer wieder darauf achten, dass nicht Menschen verachtende und Gewalt verherrlichende Bücher vertrieben werden. Dem zu wehren, sind wir alle gefragt, denn jeder kann wählen und sollte Stellung nehmen.
Der Abend klang heiter aus, machte die Lese- und Bücherfreude glücklich, die ihre stille Leidenschaft erst auskosten können, wenn sie mit anderen darüber ins Gespräch kommen. Das geschah an diesem Abend in bester Atmsphäre. Dank gebührt Ingrid Sonntag, die den Weg nach Hoyerswerda nicht scheute, und den Studentinnen, die mit ihren Studien Hoyerswerdaer Kunstfreunden anregten, nicht nur heiter an die Vergangenheit zu denken, sondern Gegenwart und Zukunft besser zu gestalten. Im Gedächtnis blieb ein Zitat von George Orwell: „Wenn Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann das Recht, den Leuten zu sagen, was sie nicht hören wollen.“ Dazu gibt es auch heute genug Anlass. Nutzen wir die errungene Freiheit.
(Lausitzer Rundschau)

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