JOSEF BAUER, Ex-Amtsgerichtsdirektor, spricht im Schloss über Hoyerswerda und die Kriminalität

„Im Spannungsfeld zwischen Schuld und Sühne“ lautete das Thema des jüngsten Gesprächsabends im Hoyerswerdaer Kunstverein, zu dem der bisherige Direktor des hiesigen Amtsgerichts, Richter Josef Bauer, am Freitag im Schloss Hoyerswerda sprach.

In seiner vierjährigen Tätigkeit ist Hoyerswerda Josef Bauer ans Herz gewachsen. Das betonte er nicht nur mehrfach, das ließ er auch spüren. Zumal er selbst durch seinen beruflichen Wechsel nach Chemnitz ein Botschafter der Stadt geworden ist. Er sei erschüttert gewesen, dass er in Chemnitz von Leuten gefragt worden ist, wie er mit den Rechtsextremisten in Hoyerswerda umgegangen sei, da er doch in Hoyerswerda keine solchen Prozesse führen musste. "Dieser Stadt wird unrecht getan", war sein Urteil, dem er im Gästebuch hinzufügte: "Die Jahre in Hoyerswerda führten zu einer großen Bereicherung meines Lebens. Ich fühlte mich hier nie fremd". Vielleicht lag das auch daran, dass Hoyerswerda in der Kriminalitätsrate besser sei als der Durchschnitt der sächsischen Städte. Leider nehme jedoch die Jugendkriminalität zu und das Alter der Täter sinke. Dieses Verhalten sei aber nicht einer Notkriminalität, sondern dem Wohlstand geschuldet, da jeder nur noch das Beste wünsche, dies aber auf realem Wege nicht erhalten könne, sagte Bauer.

Diese Erscheinung bedränge ihn ebenso wie das "flächendeckende Netz" einer Drogenszene, bei der zwar Heroin nicht die Rolle spiele wie in Berlin oder Leipzig, dafür aber Cannabisprodukte und künstliche Drogen. Die seien nicht nur genauso gefährlich, sondern noch schlimmer in ihrer Wirkung. Auf jeden Fall zerstören die Jugendlichen ihr zukünftiges Leben, und der Richter stehe vor der Frage: "Handelt es sich um eine Episode, eine Jugenddummheit, oder droht die Wiederholung, die ihn immer wieder zum Richterstuhl zurückkehren lässt?"

Eine Erkenntnis bei den zu fällenden Entscheidungen sei, dass eine zu harte Strafe ebenso schädlich sei wie eine zu milde. Es sei auffällig - wurde später ergänzt - dass Jugendliche aus dem ländlichen Raum fast immer von ihren erschrockenen, besorgten Eltern ins Gericht begleitet werden, während die Kinder der Stadt oft allein vor ihrem Richter stünden. Josef Bauer untermalte diese Situation mit der Geschichte eines Jungen, der seinen Freund über seinen neuen Vater tröstet: "Sei froh, der ist nett, den hatte ich auch schon."

Sorge bereitete dem Ex-Amtsgerichtsdirektor bei den Jugendstraftätern die hohe Anzahl der Schulverweigerer, von denen einige nicht einmal lesen und schreiben könnten, da sie jahrelang nicht zur Schule gingen und damit fast keine Berufschancen hätten.

Man könne dies aber nicht der Schule anlasten, so seine Erfahrung. "Die Lehrer haben es nicht leicht", betonte Bauer, denn selbst bestes Wollen scheitere oft an Unwillen von Kindern und Eltern. Da helfe auch kein kluges Reden über neue Werte, wenn Autoritäten fehlen, und zwar solche aus "Persönlichkeit, nicht des Amtes", ergab die ausgiebige, Verständnis fördernde, zum Helfen und Nachdenken anregende Diskussion.

Die Verantwortung für ein gutes Miteinander liege bei allen Bürgern, nicht bei einem Berufsstand - und für die Kinder und Jugendlichen sind dies besonders die Eltern. Josef Bauer: "Die Wärme, die ein Mensch in seinen frühen Jahren empfängt, ist entscheidend für sein Verhalten - und er benötigt sie sein ganzes Leben."

"Hoyerswerdaer TAGEBLATT/ Sächsische Zeitung; 12. Februar 2002; Seite 9. Mit freundlicher Genehmigung zur web-Präsentation freigegeben."

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