Eine außergewöhnliche musikalische Symbiose
Zwischen den beiden großen Ereignissen der Hoyerswerdaer Musikfesttage, dem Eröffnungs- und dem Abschlusskonzert mit den philharmonischen Orchestern, sind die kleinen, aber feinen Konzerte das sprichwörtliche Sahnehäubchen.
Wie in allen voraus gegangenen Jahre wird in der Rubrik „Das besondere Instrument“ auch dieses Mal etwas ganz Besonderes vorgestellt:
Anna Carewe trifft mit den dunklen, warmen Klängen ihres Cello auf die lieblichen, hellen Klänge des Vibraphons, das Oli Bott meisterlich beherrscht. Beide Musiker spielten einzeln und gemeinsam sehr erfolgreich auf den Bühnen der Welt. Anna Carewe stammt aus England und ist eine äußerst vielseitige Cellistin, ihr Lebensmittelpunkt ist Berlin. Oli Bott, gebürtig in Hofheim am Taunus, studierte in den USA, er arbeitet heute als freier Musiker und Komponist in Berlin
Das Konzert beginnt mit einer Verschmelzung der Barockmusik von Bach und Vivaldi mit Freedom Jazz Dance von Eddie Harris. Es lässt kaum Brüche zwischen diesen Epochen erkennen, denn alle drei Stücke haben einen Grundgedanken, die Freude am Musizieren, was der Motivation von Anna Carew und Oli Bott voll entspricht. Bei ihnen gibt es keine Grenzen zwischen alter und neuer Musik, zwischen heiterer und ernster oder zwischen den Jahrhunderten, es gibt nur Musik.
In diesem Sinn waren die weiteren Sets thematisch zusammen gestellt. Ganz besonders berührend ein lyrisches Set von traditionellem Tanz, Bossa Nova, Musik aus dem Mittelalter und Erik Satie, ein sehnsuchtsvoller, melancholischer Grundton ist allen eigen und es entsteht eine ergreifende, homogene Komposition.
Nur die wenigsten der Zuhörer haben schon einmal ein Konzert mit Cello und Vibraphon erlebt, die totale Harmonie der Instrumente und der Interpreten waren wie ein Aha-Effekt. Während das Cello ein fester Bestandteil der Orchester ist, ist das Vibraphon weniger präsent. Oli Bott erzählt deshalb die Geschichte seines Instrumentes. Das Balafon, bei dem Melodien durch Schlagen auf unterschiedlich lange Holzklangstäbe erzeugt werden, stammt aus Afrika, es gelangt nach Südamerika und Mexiko, wird dort weiter entwickelt zur Marimba, bei dem die Töne durch unterschiedlich lange Holz-Klangröhren verstärkt werden. Anfangs des 20, Jahrhunderts, als Swing und Jazz in den USA zum Kult avancieren, verwendet man Metallplättchen zum Anschlagen der Töne und Metallröhren als Verstärker. Die Röhren erhalten zudem am oberen Ende ein Metallplättchen, die durch sehr leise, kleine Motoren bewegt werden können und ein Vibrato erzeugen, das dem Instrument seinen Namen gibt: Vibraphon.
Die musikalische Bandbreite dieses Instruments ist in den weiteren Sätzen zu hören. Während das Cello meist die Grundmelodie der einzelnen Stücke „beinahe singt“, begleitet das Vibraphon furios und getragen, mit und ohne Vibrato, laut und sehr leise. Und immer wieder Bach, es scheint, als ob Bach mit allen Musikstilen korrespondieren könnte. Selbst neben einer Komposition von Oli Bott, einem „Romanian Blues“, der der osteuropäischen Musik gewidmet ist, erklingen Bach und György Ligeti, und alles erscheint wie aus einem Guss.
Ein fast himmlisches Harfenspiel wird von beiden Instrumenten assoziiert, wenn Jakob Senleches aus dem 14. Jahrhundert mit der vielseitigen Jazzmusikerin Carla Bley (*1936) und Afro Blue gemeinsam mit Bach erklingen. Wiederum glaubt man sich in ein Orgelkonzert versetzt, wenn Bachs „Wohltemperiertes Klavier“ auf Diego Ortiz aus Mittelalter und den Jazz-Trompeter Dizzy Gillespie trifft.
Die Zugabe „Air“, lässt Johan Sebastian Bach in der Interpretation von Anna Carewe und Oli Bott in einem ganz modernen, frischen Licht erscheinen, das Stück hätte einen Platz in den deutschen Charts verdient. Ein in Erinnerung bleibendes „besonderes“ Konzerterlebnis.
Mit freundlicher Genehmigung von Sächsische Zeitung, Hoyerswerdaer Tageblatt. 18.04.2024, Schlosssaal