Ein Halleluja für Bach und seine Interpreten
Ein bisschen Lokalpatriotismus schwingt mit, wenn in Hoyerswerda ein Konzert des Thüringer Bach Collegiums mit seinem Leiter, Gernot Süßmuth, überschwänglich gefeiert wird, hauptsächlich aber ist es Begeisterung für die frische, lebendige barocke Musik, die auf historischen Instrumenten mit dem Thüringer Bach Collegium zu hören war.
Es gibt bereits eine Vielzahl ähnlicher Bach Collegia, doch Gernot Süßmuth gründete 2018 ein eigenes, mit dem er als künstlerischer Leiter neue, individuelle Wege beschreitet. Gernot Süßmuth wurde 1964 in Lauchhammer geboren, besuchte die Musikschule Hoyerswerda, lernte hier das Geigenspiel und studierte bis 1984 er an der Musikhochschule Hans Eisler Berlin. Danach war er in vielen renommierten Orchestern als erster Konzertmeister tätig, diese Funktion übt er heute bei der Staatskapelle Weimar aus und wirkt gleichzeitig als Professor an der Hochschule „Franz Liszt“ in Weimar. Mit den Musikern des Thüringer Bach Collegiums beschreitet er neue Wege. Er spielt nicht nur Musik von Johann Sebastian Bach (1685-1750), sondern sucht in Archiven nach vergessenen Komponisten aus dem thüringischen Umfeld Bachs. Dabei stößt er auf einen Prinz Johann Ernst von Sachsen Weimar (1696-1715) und auf einen kaum bekannten Cousins des großen Bach, auf Johann Bernhard Bach (1676-1749).
Das Konzert beginnt mit einem Concerto des Italieners Antonie Vivaldi, nur wenig älter als Bach. Antonio Vivaldi, sagt man, wurde prägend für Bachs Kompositionsstil. Bach wiederum legte den Grundstein für viele Musikergeneartionen weltweit.
Im Konzert folgt als Nächstes eine Orchestersuite von Johann Bernhard Bach, wobei neben den historischen Streichern und dem Cembalo eine Barockoboe hören ist, ein Stück, das nicht nur Caprice heißt, sondern sehr kapriziös und heiter erklingt. Gernot Süßmuth findet genau die richtige Balance zwischen den feierlich langsamen Sätzen und den schnellen, wild furiosen, das macht das Zuhören nahezu „ himmlisch“. Diese frische, mitreißende Spielweise ist auch in allen weiteren Stücken zu hören. Besonders in einem Stück für Oboe und Violine von Johann Sebastian Bach, wobei die Oboe wunderbar gespielt wird von Luise Haugk, die ebenfalls Wurzeln in Hoyerswerda hat, ihr Vater war in den 80er Jahren Pfarrer am King-Haus. Die besonders weichen tiefen Töne der barocken Oboe wetteifern mit den ebenso weichen Stimmlagen der historischen Instrumente. Diese, von Violine über Viola bis zu Cello und Kontrabass, sind oft mit Darmsaiten bespannt und müssen häufiger nachgestimmt werden, erzeugen daher einen Naturton, mit weniger Perfektion, aber umso „menschlicher“. Beim Cembalo werden die Saiten nicht angeschlagen wie beim Klavier, sondern mit einem Plektrum „gezupft“, es ist daher ein Saiteninstrument.
Mehrere Kompositionen des Prinzen Johann Ernst von Sachsen Weimar lassen erstaunen, besonders seine Sonate für Trompete und Streicher, weil dieser Komponist bereits mit 18 Jahren starb und ein umfangreiches Werk hinterlassen hat, das verschollen wäre, wenn nicht bereits Bach oder Telemann dieses bewahrt hätten, und neuerdings rekonstruiert auch Gernot Süßmuth Teile davon. Telemann durfte deshalb im Repertoire nicht fehlen. Telemann wirkte um 1708 in Eisenach. Seine Sinfonie für Trompete wurde zu einem weiteren Höhepunkt des Abends. Die barocke Trompete wird ohne Ventile gespielt und stellt somit besonders hohe Anforderungen an den Musiker, was Rupprecht Drees mühelos in allen Tonhöhen und -tiefen perfekt gelang, ein Sonderapplaus war der Lohn für das sicher aufwendige Üben.
Zur wunderbaren Barockmusik in der Interpretation des Thüringer Bach Collegiums bildete die Johanneskirche Hoyerswerda den perfekten Resonanzraum, auch für den Abschluss des Konzerts mit Bachs Concerto für zwei Violinen in d-Moll, wobei das bekannte melancholische Largo ganz berührend mit den furios gespielten Sätzen Vivace und Allegro zu einem besonderen Klangerlebnis verschmilzt. Selbst Johann Sebastian Bach hätte seine Musik ganz neu entdeckt. Nur mit weiteren Zugaben konnte sich das Collegium vom begeisterten Publikum verabschieden.
Mit freundlicher Genehmigung von Sächsische Zeitung, Hoyerswerdaer Tageblatt - 57. Musikfesttage Hoyerswerda, 21.04.2024, Johanneskirche