Wie die Sagen der Lausitz im Leben präsent sind
Erhard Spank (*1952) liest aus seinem Roman „Der trockene Wassermann“ beim Hoyerswerdaer Kunstverein
Es sind alltägliche und skurrile Episoden, die Erhard Spank in seinem neuen Roman „Der trockene Wassermann“ erzählt, angesiedelt in der Oberlausitz, in dem Dorf Birkowitz. Erhard Spank ist ein ehemaliger Gymnasiallehrer aus Hoyerswerda. Er unterrichtete Mathematik und Physik, war aber auch ein begeisterter Liebhaber von Literatur, Theater und Kunst. So blieb es nicht aus, dass er seinen Ruhestand mit dem Schreiben von Büchern ausfüllte.
Sein erstes Buch „Die schwarze Mittgasfrau“ wie auch „Der trockene Wassermann“ sind jeweils ein Paradoxon zu den Lausitzer Sagengestalten der „Weißen Mittagsfrau“ und dem „Wassermann“, der naturgemäß natürlich nicht trocken ist. Im ersten Buch wird die Familie Bubner mit Karin und Siegbert, als Eltern, und Hubert, als Sohn, vorgestellt. Sie leben mit Großeltern und weiteren Verwandten in dem überschaubaren Dörfchen Birkowitz.
Die Mittagsfrau trägt normalerweise das feinste weiße Linnen der Lausitz, von Kindern wird sie schwarz gemalt, weil sie nicht nur Gutes, sondern in ihrem Zorn auch viel Böses tut.
Mit dieser Mittagsfrau beginnt Erhard Spank auch seinen zweiten Episoden-Roman. Man erzählt sich, dass sie vor 50 Jahren zum letzten Mal im Dorf erschien, als ein Bauer in der Mittagshitze sein Getreide einfuhr, das ist die Zeit, in der die Mittagsfrau auf Einhaltung von einer Stunde Ruhepause achtet. Man kann ihrer Strafe nur entgehen, wenn man ihr eine Stunde lang alles über den Flachs erzählen kann. Er konnte es nicht und wurde durch ihre Sichel getötet. Seine Frau allerdings hätte es gekonnt.
Davon wurde lange erzählt, doch heute ist das Gesprächsthema an der Milchrampe der bevorstehende Betriebsausflug der LPG, der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft. Nach reichlichen Debatten wird als Ausflugsziel Weimar gewählt, ein bisschen Bildung kann nicht schaden. Der ernsthaften Busfahrt durch Weimar und zum Etterberg, dem Konzentrationslager Buchenwald, folgt eine Übernachtung im Luxus-Hotel Elephant. Die Erlebnisse im Hotel werden in heiteren Geschichten noch lange erzählt. Bildung und Bauernweisheit halten sich die Waage. Des Weiteren hört man von der schwierigen Namenswahl für das Baby, das möglicherweise seinen Ursprung in Weimar hat, von den Platten des alten Grammophons auf dem Dachboden mit Liedern aus der Nazi-Zeit, vom Bandenwesen der männlichen Dorfjugend und ihren selbst hergestellten Teichfahrzeugen, vom Auffinden eines Bajonetts, vom Jagdunwesen der sowjetischen Offiziere und vom Ausheben eines Grabes für den Totengräber. Ein mehr ernsthaft als heiteres Thema bildet die Volkskammerwahl, alle sollen wählen, und zwar das politisch Vorgeschriebene. Doch wird das geschehen, wenn die Straße nicht repariert wird?
Erst zum Schluss lüftet Erhard Spank das Geheimnis um den trockenen Wassermann. Der „Wassermann“ belauert als Sagengestalt alle, die ans Ufer kommen, um sie in sein Reich hinab zu ziehen, an Land ist er an seinem nassen Rocksaum zu erkennen. Oma nennt einen Stasi-Spitzel, einen „trockenen Wassermann“, er belauert die Dorfbewohner, hat aber keinen nassen Saum und ist somit äußerlich nicht zu erkennen.
Zentraler Anlaufpunkt des Ortes ist die Dorfkneipe, hier werden alle Vorkommnisse diskutiert. Ist der Wirt, der Zapfer, ein trockener Wassermann? Viel Spaß beim Lesen.
Mit freundlicher Genehmigung von Sächsische Zeitung, Hoyerswerdaer Tageblatt.