Das Wunderbare in der Wahrnehmung der kleinsten Dinge

Uwe Jordan erinnert an Adalbert Stifter (1805-1868) beim Hoyerswerdaer Kunstverein und liest aus der Erzählung "Bergkristall".

Uwe Jordan erinnert beim Hoyerswerdaer Kunstverein an Adalbert StifterDie Erzählung "Bergkristall" von Adalbert Stifter gehört sicher zu den schönsten Geschichten zur Weihnacht in der deutschsprachigen Literatur. Sie wurde über viele Jahrhunderte immer wieder gelesen, in unzähligen Schulen als Theaterstück in eigener Regie aufgeführt. Hinzu kommt eine ganze Schar von Illustratoren, deren Phantasie durch diese wunderbare Geschichte angeregt wurde.
Adalbert Stifter schrieb die Erzählung 1845 ursprünglich unter dem Titel "Der Heilige Abend", ordnete sie aber später in den Zyklus "Bunte Steine" ein und gab ihr den Titel "Bergkristall", was ja irgendwie passt, zu Bergen und Eis, zur schützenden Heilkraft des Bergkristalls und als Sinnbild für die Vollkommenheit der Natur. Diese Vollkommenheit der Natur ist in allen Erzählungen Stifters und auch in seinen Zeichnungen und Gemälden sehr berührend zu finden.
1805 wird Adalbert Stifter in Oberplan, dem heutigen Horni Planá in Tschechien geboren. Er wächst in armen Verhältnissen auf, kann mit Hilfe Wohlgesinnter das berühmte Stiftsgymnasium Kremsmünster besuchen, lernt dort vorzüglich zeichnen und nimmt alles ihm dargebotene Wissen dankbar auf. Er schreibt später über diese Zeit: "Das Kloster vermittelte... christliche Glaubenswahrheiten, orientierte sich aber gleichzeitig an Aufklärungsphilosophen, wie Gottfried Wilhelm Leibniz und Immanuel Kant." Stifter beginnt zu dichten und kann ab 1840 erste Erfolge verbuchen.
Uwe Jordan bricht eine Lanze für Adalbert Stifter, der sicher zu Unrecht als Dichter des Biedermeier bezeichnet wird, der Periode nach dem Wiener Kongress, als Europa neu geordnet wird und die Kleinstaaterei blüht, hausbacken und konservativ, beschränkt auf die eigene Familie, auf Haus und Garten. Für ihn gilt am ehesten das Urteil von Thomas Mann: "Stifter ist einer der merkwürdigsten, hintergründigsten, heimlich kühnsten und wundersam packendsten Erzähler der Weltliteratur."
Davon sollten sich die Hörer nun selbst überzeugen, als Uwe Jordan größere Abschnitte aus der Erzählung "Bergkristall" las und dabei vom Zauber der Worte selbst tief ergriffen wurde.
Erzählt wird von zwei Dörfern im Hochgebirge, Gschaid und Millsdorf, die durch einen Bergrücken zwischen zwei schneebedeckten Gipfeln voneinander getrennt sind und jedes für sich in einem eigenen Kosmos lebt. Ab und zu kommt es vor, dass ein junger Mann eine junge Frau aus dem Nachbarort freit. So geschehen bei den Eltern von Konrad und Sanna. Die Familie lebt in dem Dorf Gschaid, der Vater ist ein in der ganzen Umgebung gefragter Schuster, die Eltern der Mutter leben in Millsdorf, betreiben eine Färberei, sind wohlhabend und dem Schwiegersohn aufgrund seines ausschweifenden Lebenswandels als junger Mann nicht gerade wohl gesonnen. Als die Kinder älter werden, laufen sie deshalb öfter allein zu den Großeltern nach Willsdorf, über besagten Bergrücken, genannt der Hals. So auch an einem Heiligen Abend. In der Früh, bei ruhiger trockener Wetterlage, laufen sie los und kommen pünktlich in Willsdorf an. Die Großmutter packt Geschenke ein, gibt Brot mit auf den Weg, dazu ein Fläschchen für die Mutter, "zugestopft und gut verbunden. ein schwarzer Kaffeeaufguss... es ist eine wahre Arznei, die den Körper in kalten Wintertagen wärmt."
Auf dem Heimweg wird es für die Kinder lebensbedrohlich, das Wetter schlägt um, es beginnt übermäßig zu schneien und die Kinder verirren sich. Die Nacht verbringen sie in einer Höhle aus Gletschereis. Sie wissen, wer im Eis einschläft wird erfrieren. Da kommt ihnen der Kaffeeaufguss der Großmutter zu Hilfe, der ein Weilchen wach hält aber nicht auf Dauer. Doch dann geschieht ein einmaliges Schauspiel am Himmel, ein Nordlicht, wie es noch nie einer so exakt und magisch zugleich beschrieben hat wie Adalbert Stifter.
"Der Himmel fing an sich zu verdünnen und verteilen, die Kinder sahen ein Sternlein blitzen... jetzt kam hier einer zum Vorschein, jetzt dort, bis es schien, als wäre am ganzen Himmel keine Wolke mehr...Die Schneewolken waren ringsum hinter die Berge abgesunken... über die Kinder spannte sich ein Gewölbe von dichten brennenden Sternen... und für die Augen begann sich etwas zu entwickeln... am Himmel erblühte vor ihnen ein bleiches Licht mitten unter den Sternen und spannte einen schwachen Bogen durch dieselben. Es hatte einen grünlichen Schimmer, der sich sachte nach unten zog... der Bogen wurde immer heller und heller, bis sich die Sterne vor ihm zurückzogen und erblassten. Auch in andere Gegenden des Himmels sandte er einen Schein, der schimmergrün sachte und lebendig unter die Sterne floss. Dann standen Garben verschiedenen Lichts auf der Höhe des Bogens wie Zacken einer Krone und brannten." Bei diesem Anblick bleiben Konrad und Sanna hellwach und Sanna wird später sagen, sie hat in der Heiligen Nacht das Christkind gesehen. In der Morgendämmerung suchen sie nun mühsam weiter nach dem Heimweg. Inzwischen haben sich die Bewohner aus beiden Ortschaften auf die Suche nach den Kindern begeben und der Dichter findet einen wunderbaren Abschluss für seine Erzählung, neben der Freude über die Rettung der Kinder wird der Großvater seinen Groll begraben und die Mutter von Konrad und Sanna wird in Gschaid nicht mehr die Fremde sein.
Die Zuhörer werden von den genauen Naturbeobachtungen Adalbert Stifters förmlich verzaubert und heilsam spüren sie die Kraft, die vom Leben mit der Natur ausgeht, angstfrei wie die Kinder, in einer selbstverständlichen Verantwortung von Konrad für die kleine Schwester und mit einem ungebrochenen Vertrauen von Sanna zum großen Bruder.

Oberplan, Gemälde von Adelbert StifterKremsmünster, Gemälde von Adalbert StifterRamsau mit Watzmann, Gemälde von Adalbert Stifter

 

 

 

 

 

 

 

 

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