Der Einfluss der orthodoxen Kirche auf die Geschicke Russlands
Geschichte aus der Sicht von Erich Busse ist immer ein Wechselspiel von Gesellschaft, Glaube und Kultur in einem relativ großen Ausschnitt des menschlichen Daseins. Er betrachtet den Fortgang der Dinge aus der Perspektive eines evangelischen Christen, der nach Wegen der Kirchen ohne machtvolle Institutionen sucht. Kritik übt er an Unrecht und Machtmissbrauch, Lob findet er für Persönlichkeiten, die christlich handeln, oft abseits der Massenmeinung und erinnert damit sehr an Dietrich Bonhoeffer: Alles Sehen und Erkennen der Dinge ohne Gott wird zur Loslösung von Ursprung und Ziel.
In diesem Sinn war er mit interessanten Vorträgen schon häufig beim Hoyerwerdaer Kunstverein zu Gast.
Heutiges Thema: Begegnung mit Russland.
Es ist ein weiter Bogen, den Erich Busse hier spannt. Er reicht vom 4. Jahrhundert, als aus der griechischen Handelsstadt Byzanz die Stadt des Kaisers Konstantin wird und zur Hauptstadt des oströmisch-byzantinischen Reiches. Kaiserpalast und die spätere Hagia Sophia werden gebaut und mit einer riesigen, fast uneinnehmbaren Ringmauer umgeben. Diese Mauer fällt erst 1453 durch den Sultan Mehmed II. Erich Busse empfiehlt, dieses Ereignis bei Stefan Zweig in "Sternstunden der Menschheit" nachzulesen. Aus Konstantinopel wird danach Istanbul.
Doch zurück zu Russland. Im 8. Jahrhundert beginnt mit Kyrill und Method, die aus Konstantinopel kommen, die Christianisierung zwischen Dnepr und Wolga. Sie übersetzen die Bibel ins Slawische und sind die Schöpfer der kyrillischen Schrift. Großfürst Wladimir von Kiew lässt sich 987 taufen und kann im Gegenzug die Schwester des Kaisers von Byzanz heiraten, womit er auf den Kaiserthron des Heiligen Römischen Reiches spekulierte. Unter seiner Herrschaft wird die "Kiewer Rus" wesentlich erweitert, es werden Kirchen und Klöster gebaut und die orthodoxe Kirche erhält eine dominierende Stellung im Land. Von Norden bedrohen die Schweden und die katholischen Kreuzritter die Kiewer Rus. Alexander Newski kann 1242 die Schlacht auf dem Peipusee gegen den Livländer Orden gewinnen und wird später heilig gesprochen, Kirchen, Klöster und Straßen wurden nach ihm benannt.
Bereits 1328 zieht der Metropolit nach Moskau und wird dort zum Oberhaupt der nunmehr russisch-orthodoxen Kirche gekürt, 1448 erfolgt die endgültige Trennung von Konstantinopel und damit von Rom. Unter Iwan IV., dem Schrecklichen, wird das russische Reich bis Kasan und weiter nach Sibirien erweitert, zur Siegesfeier lässt Iwan IV. die bis heute bewunderte Basilius- Kathedrale am Roten Platz in Moskau bauen.
Polen-Litauen erwächst im Westen zur Bedrohung Russlands, denn 1596 erkennen Millionen orthodoxer Christen den Papst als Oberhaupt an und trennen sich damit von Moskau.
Zur Regierungszeit von Peter I. 1682 bis 1721, Zar und Großfürst von Russland, erfährt das Land einen wirtschaftlichen Aufschwung, St. Petersburg wird gegründet, das Land wird modernisiert, die Bärte als Zeichen der Altgläubigkeit werden abgeschnitten, die Kirche wird dem Staat untergeordnet. Peter I. sichert Russland den Zugang zur Ostsee. Dabei erhält er Unterstützung vom Soldatenkönig, Friedrich Wilhelm I. In der Konvention von Havelberg sicherten sich beide gegenseitige Unterstützung gegen die Schweden zu. Bei dieser Gelegenheit tauschte Friedrich Wilhelm I. das legendäre Bernsteinzimmer gegen Soldaten ein.
Unter Katharina der Großen wird das Land bis auf die Krim am Schwarzen Meer erweitert und bis hinter den Ural.
Der besondere Status der orthodoxen Kirche wird erst im Jahr 1917 mit der Oktoberrevolution beendet, Kirche und Staat werden getrennt, Glaubensfreiheit wird zugesichert aber nur vage gehalten, alle materiellen Güter der Kirche werden dem Staat übereignet.
Nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 setzt eine Wende ein, 1993 wird in der neuen Verfassung für Russland die Orthodoxie wieder anerkannt, in einem Religionsgesetz von 1997 werden die Rechte definiert. Putin setzt aus Kalkül auf Zusammenarbeit mit dem Patriarchen von Moskau.
Erst im Jahr 2016 treffen sich nach 1000 Jahren die Oberhäupter der katholischen und der russisch-orthodoxen Kirche auf einer freundschaftlichen Ebene in Havanna, Papst Franziskus und Patriarch Kyrill, eine Geste mit großer Wirkung.
Nicht unerwähnt bleibt bei Erich Busse auch der Beitrag der russischen Literatur, die wie in kaum einem anderen Land Europas Einfluss auf die Gesellschaft hat, genannt seien die Dichter Puschkin, Tolstoi, Gogol, Dostojewski, Tschechow, Bulgakow, Aitmatow, um nur einige zu nennen.
Und nun wissen wir mehr. Denn das Wissen um die Geschichte ist das innerste Anliegen von Erich Busse, sein Fazit lautet: Bessere Beziehungen sind nur möglich, wenn wir mehr voneinander wissen und so versuchen, einander zu verstehen.