Erst die Fremde lehrt uns, was wir an der Heimat besitzen
Matinee im Industriedenkmal "Energiefabrik Knappenrode" mit Texten von Theodor Fontane ( 1819-1898)
Das Erinnern an große Dichter aus vergangenen Jahrhunderten bringt immer wieder erstaunliche Einblicke, die aktuell an unsere heutige Gesellschaft erinnern. In einer Matinee an einem ungewöhnliche Ort, in der ehemaligen Waschkaue der Brikettfabrik Knappenrode, wurde an Theodor Fontane erinnert, dessen Lebenszeit fast das gesamte 19. Jahrhundert ausfüllt, ein Jahrhundert, geprägt von den Nachwirkungen der napoleonischen Kriege und des Wiener Kongresses, von Revolutionen, von dem Erstarken Preußens und der Enge Preußens. Die bürgerliche Gesellschaft hatte die Feudalherrschaft weitgehend abgelöst. Mit wachem Blick sieht Fontane Vorzüge und Nachteile der alten und neuen Verhältnisse. Das Wertvolle aus der Vergangenheit ist ihm teuer, aber er lebt mit den Ideen der neuen Zeit. Das ist in seinen "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" ebenso gegenwärtig wie in seinem Alterswerk, seinen Romanen. Dichtung wird dadurch zeitlos und immer wiederkehrend aktuell.
Helene Schmidt hatte, da sie voraussetzen konnte, dass die meisten Besucher der Matinee die Romane Fontanes kennen, eher unbekannte Texte ausgewählt, Textstellen aus seinem umfangreichen Briefwechsel, Szenen aus "Meine Kinderjahre" und von Christine von Brühl "Gerade dadurch sind sie mir lieb" - Theodor Fontanes Frauen.
Helene Schmidt und Angela Potowski lasen diese "Einblicke", wie immer vorzüglich, so dass das Zuhören Freude machte und eine vergangene Zeit mit einem sehr lebendigen Herrn Fontane vor Augen stand. Um ihn geschart seine Verlobte und Frau Emilie, seine Tochter Martha, Mathilde von Rohr, Theodor Storm, sein Elternhaus mit einer liebenswerten Mutter und einem liebevollen, aber spielsüchtigen Vater, die Apotheken seines Vaters und solche, in denen er selbst später arbeitete, und nicht zuletzt die vielen starken Frauenfiguren aus seinen Romanen. Erinnert sei an Effie Briest, Frau Jenny Treibel, Grete Minde, Stine und viele weitere.
Fontane war ein guter Zuhörer und Beobachter, ihm gelingt es, mit wenigen Sätzen Personen und gesellschaftliche Zwänge seiner Protagonisten sehr präzis und lebendig darzustellen. Das zeigt sein Briefwechsel, zeigen die gelesenen Schilderungen seiner Kinderjahre in Swinemünde ebenso wie die Berichterstattungen aus London und Schottland. Weniger bekannt war auch, dass seine Frau Emilie nicht nur Hausfrau und Mutter seiner vielen Kinder war, sondern unermüdlich auch seine Manuskripte Korrektur las und diese meist mehrmals ins Reine schrieb.
Zum Abschluss konnte natürlich das berühmte Gedicht "Herr von Ribbeck auf Ribbeck" im Havelland nicht fehlen und lässt erkennen, dass Fontane auch die lyrische Form beherrscht, immerhin schrieb er eine ganze Reihe von Gedichten, so auch das vom Steuermann "John Maynard", der das Steuer bis in den Tod fest in der Hand hielt.
Eine gelungene Anregung für die Zuhörer, wieder einmal bei Theodor Fontane nachzulesen.