Auf der Suche nach Gut und Böse, oder: Der Teufel hat uns nicht vergessen

Peter Paul Gregor, Pfarrer der Römisch-Katholischen Pfarrgemeinde Hoyerswerda beim Hoyerswerdaer KunstvereinPfarrer Peter Paul Gregor (links) vor dem Vortrag im Schlosssaal im Gespräch mit Günter Mazanek. Der Abend war ein fesselnder Streifzug durch theologische Deutungen von Gut und Böse. Was sich daraus ableitet, muss jeder für sich selbst finden. Unleugbar: Das Böse fasziniert. Hätte ich mich sonst für den Vortrag „Die Faszination des Bösen“ interessiert? „Die Faszination des Bösen“ – das war das Thema von Peter Paul Gregor, Pfarrer der Römisch-Katholischen Pfarrgemeinde Hoyerswerda, behandelt auf Einladung des Hoyerswerdaer Kunstvereins am Dientagabend im Schloss. Wer von den gut 50 Zuhörern sich vordergründige Lehrsatz-Antworten, Gebrauchsanweisungen („Was wir gegen das Böse tun können und müssen ...“) erhofft hatte, sah sich zunächst enttäuscht. Denn obgleich das Böse klar definiert werden kann, sind doch die Begriffe dazu und um es herum in heillose Verwirrung oder Vergessenheit geraten. Und wie will man sich einer Sache entgegen, gar: gegenüber stellen, wenn man nicht einmal weiß, wovon man redet? Ist „das Böse“ eine Tatsache, die nun einmal da ist, der man nicht entrinnen kann, mit der man sich sogar arrangieren muss? Oder ist es eine (zugegebenermaßen vielgesichtige) „Persönlichkeit“ mit klaren Absichten, der man sich sehr wohl entgegenstellen kann – mit den göttlichen Gaben der Vernunft, des Einschätzenkönnens der Lage, des Willens, des Gewissens – und der Barmherzigkeit?
Pfarrer Gregor schöpft dazu aus jesuanischer Sicht; dem, was Jesus laut Markus 7;15 ff sagt: „Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern ... von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken, Unzucht, Diebstahl, Mord, Ehebruch, Habgier, Bosheit, Hinterlist, Ausschweifung, Neid, Lästerung, Hochmut und Unvernunft.“ Harte Worte, erst nach tiefem Nachdenken (wenn überhaupt) verständlich. Sie legen nahe, dass die irren, die sich darauf berufen, das Böse werde von außen an und in sie hereingetragen. Gregor befindet ganz klar: „Wer böse handelt, darf nicht das Böse als Alibi dafür benutzen.“
Um noch einen Irrtum auszuräumen: Faszination im eigentlichen Wortsinne bedeutet eben nicht, im positiven Sinne „angezogen“ zu werden, sondern „gebunden“, „verstrickt“, „gefesselt“ mit verschiedensten Verlockungen. Und warum fasziniert das Böse den Menschen? Auch das ist für Gregor klar: „Weil es großes Interesse an Ihnen hat. Es will Sie zerstören.“
Das Böse hat Synonyme, die es kenntlich machen – wenn man sie (noch) versteht. Etwa: „Satan“ (Widersacher, Verfolger, Nachsteller). „Teufel“ („Dia-bolos“, „durcheinander werfen, entzweien, schmähen, verleumden), Zerstörenwollen um seiner selbst willen. Selbst Goethes „Mephistopheles“ ist ein sprechender Name: vereint das hebräische „Mephir“ (Zerstörer) und „Tophel“ (Lügner).
Aber was bedeutet das für das Verständnis der Welt, wie sie sich seit je darstellt?, was für unser Tun? Gregor gab statt immer fehl gehender „Rezepte“ Denk-Sätze: „Das Böse verallgemeinert, macht auf niederster Stufe alles und alle gleich. Das Böse tritt mit den Menschen in Korrespondenz, aber nie in den Dialog. Das Böse ist eine Kausalität; will stets einen Grund. Liebe ist ohne Kausalität. Das Böse will stets «Gegenwert»; Liebe, Güte und Barmherzigkeit geben ohne Gegenforderungen. «Malum contra Malum» (Böses mit dem Bösen bekämpfen) ist keine Lösung. Die Lösung ist Barmherzigkeit. Güte und Barmherzigkeit verträgt das Malum nicht – dann zieht es sich zurück.“
Der Philosoph Nicolás Gómez Dávila weiß: „Das Böse kann nicht siegen, wo das Gute nicht schal geworden ist.“ Und: „Der größte moderne Irrtum besteht nicht in der These vom toten Gott, sondern im Glauben, dass der Teufel tot ist.“ Oder, wie Pfarrer Gregor am Schluss die Mystikerin Teresa von Ávila (1515-1582 / „Weg zur Vollkommenheit“) zitierte: „Der Teufel hat uns nicht vergessen.“ Heißt: Wer seiner eingedenk ist, verfällt ihm nicht ganz so leicht.

Mit freundlicher Genehmigung von Hoyerswerdaer Tageblatt