Ein literarischer Blumenstrauß für Christa Wolf zum 90. Geburtstag

Erinnern an den 90. Geburtstag von Christa Wolf in der Reimann-Begegnungsstätte mit dem Hoyerswerdaer KunstvereinChrista Wolf wäre am 18.03.2019 90 Jahre alt geworden und es hätte sie gefreut, wäre sie beim Kunstverein in Hoyerswerda dabei gewesen, als man ihrer in einer großen Runde gedachte. Christa und Gerhard Wolf waren in den 70er und 80er Jahren häufig Gast beim damaligen Freundeskreis der Künste und Literatur.
Alle Gäste des Abends hatten sich aus ihrer ganz persönlichen Sicht auf Christa Wolf vorbereitet und lasen die ihnen wichtigen Textstellen aus Büchern und Briefen vor. So entstand ein Bild von Christa Wolf, das lebendiger nicht hätte sein können, ein Bild, das der Schriftstellerin und ihrer Persönlichkeit gleichermaßen gerecht wurde.
Wie es angebracht ist in einer Brigitte-Reimann-Begegnungsstätte, war aus den letzten Briefen von Christa Wolf an ihre Schriftstellkollegin und Freundin Brigitte Reimann zu hören, wie zwei Dichterinnen sich gegenseitig ermutigen, einen eigenen Weg zu verfolgen und eine Sprache zu finden, die die Klischees überdauert. Christa Wolf bewundert Brigitte, die ihrer Krankheit zum Trotz ihr Buch über die Franziska Linkerhand zu Ende bringen will, trotz Morphium und Schmerzen, bewundert ihren Reichtum an Lebensbeziehungen; beide schreiben witzig über ihre Alltagsproblem, über Gott und die Welt und sind einem gewissen Klatsch und Tratsch über Schriftstellkollegen nicht abgeneigt.
Aus den Büchern der Christa Wolf wurden ausgewählt: "Der geteilte Himmel", "Kein Ort. Nirgends", "Was bleibt" und "Stadt der Engel".
Der "geteilte Himmel" über Deutschland nach dem Krieg wird der Liebe zwischen der jungen Rita und dem Chemiker Manfred zum Verhängnis, neben dem Himmel teilt sich auch ihre Liebe, die mit der Republikflucht von Manfred endet. Christa Wolf schildert poetisch anrührend die erste Liebe, die zwei junge Menschen zueinander führt und die an den politischen Verhältnissen scheitert. Rita Seidel wird bleiben und will bei Reformen helfen, die ihrem Land bitter nötig sind.
In der Erzählung "Kein Ort. Nirgends" schildert Christa Wolf eine fiktive Begegnung der Dichterin Karoline von Günderode mit dem Dramatiker Heinrich von Kleist in Winkel am Rhein, in einer Nachmittagsgesellschaft der Brentanos im Jahr 1804. Die Günderode scheitert an der von Männern dominierten Dichterwelt, Kleist an den Verhältnissen in Preußen. Eine Gesellschaftskritik, die sehr viel mit der Person von Christa Wolf selbst und ihrem Leben in der Gesellschaft zu tun hat. Die Rezensionen zum Buch, das 1979 erscheint, waren in Ost und West wenig wohlwollend. Ein Grund, das Büchlein unbedingt neu zu lesen.
Sehr persönliche Erfahrungen waren zu hören, von einem Briefwechsel mit Sabine Wolf, der Herausgeberin des gesamten Briefwechsels der Christa Wolf mit dem Titel "Christa Wolf. Man steht sehr bequem zwischen allen Fronten" und von Ihrer letzten Lesung zum Buch "Stadt der Engel" in Dresden, am 12. April 2011, bei der die Schriftstellerin mit Ovationen begrüßt wurde und sie ihr Buch einer begeisterten Leserschar vorstellte. Vom gleichen Buch gab es eine liebevolle Einschätzung über die Wahrhaftigkeit und Genauigkeit, mit der sich Christa Wolf selbst befragt und so die Geschichte des 20. Jahrhunderts gleichsam aus der Sicht der Deutschen und der Amerikaner erzählt wird.
Mit dem Freundeskreis in Hoyerswerda führte Christa Wolf ebenfalls einen regen Briefwechsel, man fragt sich zwischendurch, wann sie neben Schriftstellertagungen, Haushalt und Familie, Lesungen und Reisen, ihre Bücher und Briefe überhaupt geschrieben haben mag? Nach Hoyerswerda sendet sie die Aufforderung, man müsste wieder einmal miteinander reden, zudem bewundert sie das ungebrochene Stehvermögen des Vorsitzenden des Kunstvereins, Matin Schmidt, und fragt ihn "wie kann man Gegenhalten, wenn der neue Gott das Geld ist?"
Martin Schmidt hatte neben seinem Prolog am Anfang der Lesung auch einen Brief an Gerhard Wolf vorbereitet, der ein ehrenvolles Erinnern an Christa Wolf und an ihn bekundet.
Last not least soll das Büchlein "Was bleibt" zu Wort kommen, 1979 geschrieben, aber erst 1990 veröffentlicht. Hier wird eine Lesung geschildert, die unter erdrückenden Verhältnissen für die Schriftstellerin stattfindet, es gibt geladene Gäste, nur mit Nummern auf der Namensliste, haben diese ihre Eintrittskarten bezahlen müssen? Warum wird die Lesung nicht offiziell eröffnet, sondern nur von einer Sekretärin begleitet, die einen grünem Pulli trägt, der trotz der Farbe Grün gar keine Hoffnung ausstrahlt, warum wurden so viele nicht in den Saal gelassen? Welche Aufgabe hat die Polizei vor der Tür, befürchtet man eine Revolte? Trotz der Veröffentlichung erst nach der Wende noch heute lesenswert, denn die Hoffnung der Christa Wolf ist trotz allem in dem Text verborgen, die Hoffnung, dass etwas bleibt von der Literatur ihrer Zeit.

Mir freundlicher Genehmigung von Sächsischer Zeitung, Hoyerswerdaer Tageblatt, in dem eine gekürzte Fassung erschien. 

 

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