Das Besondere an der Literatur

 "Erste Erde. Epos", ein Buch von Raoul Schrott, erschienen 2016. Eine Lesung beim Hoyerswerdaer Kunstverein mit Uwe Jordan.

Uwe Jordan liest aus "Erste Erde. Epos" von Raoul Schrott beim Hoyerswerdaer KunstvereinDie Entstehung von Weltall und Erde ist ein Prozess, den die Wissenschaftler seit hunderten von Jahren zu ergründen versuchen. Dabei sind Fachspezialisten am Werk, die eine horrende Anzahl von Informationen erarbeiten, die sich ein Einzelner nicht mehr merken kann. Verbindungen zwischen den einzelnen Fachgebieten sind zudem für den Laien nur schwer nachvollziehbar. Der enorm hohe Wert dieser Wissenschaft aber " bleibt unbesungen".
Dass er besungen wird, dafür sorgt Raoul Schrott in seinem "Erste Erde. Epos". Denn nur durch die Poesie, durch die sinnliche Wahrnehmung, wird uns das abstrakte Wissen über das Unglaubliche der Entstehung des Weltalls bis hin zum Menschen bewusst werden und "glücklich machen", wie Raoul Schrott es empfindet und auch seine Zuhörer. "Weil es das Rätsel Mensch erklärbar macht", erklärbar durch die Poesie.
Uwe Jordan versuchte, das schwierige, aber auch überwältigende Thema den Zuhörern so nahe zu bringen, dass sie am Ende ebenso glücklich nach Hause gehen könnten, wie die Besucher der Lesungen des Autors. Es ist ihm mit Sicherheit gelungen.
Raoul Schrott wurde am 17. Januar 1964 in Landeck in Tirol geboren. Er studierte Germanistik, Anglistik und Amerikanistik. Heute arbeitet er als freier Schriftsteller und Übersetzer.
Bereits von ihm erschienen sind „Tropen - Über das Erhabene“, „Weisbuch - nichts zu glauben“, „Erfindung der Poesie – Gedichte aus den ersten viertausend Jahren“, "Das schweigende Kind" und mehrere Lyrik-Bände.
An dem "Erste Erde. Epos" hat er mehr als sieben Jahre gearbeitet. Allerdings scheint die Zeit noch viel zu kurz sein, für das über die Entstehung des Kosmos recherchierte Wissen, das er hier versammelt hat. Das Buch, eigentlich ein Wälzer, besteht aus zwei Teilen, einem wissenschaftlichen Teil und einem diesem vorangestellten poetischen. In einem wunderbaren Sprachrhythmus wird in Letzterem die nüchterne Wissenschaft in Poesie umgesetzt und berührt dadurch unser Gefühl für das Erhabene, das Ungeheure der Werdung von Leben.
Geschickt hat Uwe Jordan Textstellen aus dem Vorwort und aus beiden Teilen des Buches ausgewählt, dazu ein Interview mit dem Journalisten Arno Widmann.
Für Raoul Schrott entsteht durch die Literatur ein Gefühl von Sinn in der Entwicklung des Kosmos, das Gefühl da zu sein, wenn am Morgen die Sonne aufgeht, wobei der "Himmel in den Berg, der Wald in den Garten und die Worte in Sätze übergehen, um eine konvexe Krümmung zu bilden, die in allem rückbezüglich auf uns erscheint", und das, obwohl die Gleichgültigkeit des Weltall gegenüber der Erde nicht in Frage gestellt wird.
Das Vorwort des Buches gibt deshalb auch Auskunft zur Schöpfungsgeschichte der Bibel, denn in sieben biblischen Tagen lässt sich die abstrakte und vielgestaltige Entwicklungsgeschichte des Kosmos nicht begreifen, aber nach sieben Jahren Arbeit möchte der Autor die vielen "Verstrebungen der Entwicklung nachzeichnen und Umrisse erkennen, samt der Silhouette des Menschen in ihrem Schatten". Dazu fragt er nach bei Augustin, bei Newton und Keppler, bei Einstein und vielen anderen, bis hin zu Stephen Hawking, beginnt bei dem ersten Licht, beschreibt die erste Materie, die erste Erde, das erste Leben, erste Pflanzen, erste Menschen, erste Bilder, Schriften und Dichtungen. Es ist ein "Querschnitt der Erkenntnisse, die ein neugieriger Mensch sich zu erwerben vermag." Wer also mag, sollte das Buch lesen, es braucht Zeit, vielleicht etwas weniger als sieben Jahre? Neugierig geworden, wäre es deshalb wünschenswert, das Buch in einer weiteren Lesung tiefer zu erkunden.