Erkundungen in Dresden mit dem Blick von Insidern
Manfred Pilz, Elmar Vogel und Erich Busse führen durch Dresden.
Städte wie Dresden, sind für Kunstbeflissene unerschöpfliche Quellen der Inspiration, der Kommunikation und der Ehrfurcht vor den Leistungen der Ahnen. Die diesjährige Exkursion des Hoyerswerdaer Kunstvereins stand ganz unter solch einem besonderen Erkunden dieser Stadt mit den Augen von Kennern.
Manfred Pilz, von Haus aus Statiker, war maßgeblich beteiligt am Wiederaufbau der Semper-Oper und des Taschenbergpalais. Elmar Vogel, von Beruf Bildhauer, kennt die Geschichte der Friedhöfe dieser Stadt wie kaum ein anderer. Erich Busse haben es die kleinen, vergessenen Geschichten der Stadt angetan, die die Geisteshaltung der Dresdner über die Jahrhunderte wiederspiegeln. Alles in allem beste Voraussetzungen für einen erfüllten Tag.
Die Semperoper wurde im zweiten Weltkrieg stark beschädigt. 1968 begann die Planung für den Wiederaufbau, die Grundsteinlegung für den "dritten" Bau der Oper erfolgt am 24. Juni 1977 und die Wiedereinweihung am 13. Februar 1985, zum 40. Jahrestag der Zerstörung.
Der dritte Bau deshalb, weil die von Gottfried Semper 1841 errichtete Oper, das damalige Königliche Hoftheater, 1869 durch einen Brand völlig zerstört wurde. Den Wiederaufbau musste der Sohn, Manfred Semper, nach den Plänen des Vaters leiten, weil Gottfried Semper infolge der Beteiligung am Maiaufstand Dresden 1848 hatte verlassen müssen. Dieser zweite Bau wurde 1878 eröffnet. An der Gestaltung der Baudekoration hatte Emanuel Semper, das 6. Kind Gottfried Sempers, einen großen Anteil. Von ihm kann man Bildhauerarbeiten an allen Fenstern sowie liebevoll gestaltete Masken und Friese in wieder erstandener Pracht bewundern. Arbeiten von Ernst Rietschel, seines Schülers, Johannes Schilling, und vieler anderer sind ebenso zu finden. Dazu gehören Goethe und Schiller am Haupteingang von Rietschel und das König-Johann-Denkmal am Theaterplatz von Schilling. Doch was man heute sieht, ist ein fertiges schönes Haus. Manfred Pilz aber erzählt von den Schwierigkeiten beim Wiederaufbau in den 70er und 80er Jahren, als die Wände stabilisiert werden mussten, als der Untergrund nicht tragfähig genug war für ein neues modernes Theater, als die Verfahren der Gründung mit Schlitzpfeilern und Bohrpfählen unter Suspension noch in den Anfängen waren, die Technik oft durch Handarbeit ersetzt werden musste und der Termin der Fertigstellung unbedingt gehalten werden sollte.
Ähnliche Probleme ergaben sich beim Wiederaufbau des Taschenbergpalais in den 90er Jahren. Die vorhandene Bausubstanz war in einem äußerst schlechten Zustand, der Untergrund ebenso instabil wie bei der Semperoper und die Straßen für Bautransporte mittlerweile eng geworden in Dresdens Innenstadt. Zudem sollte unter dem Haus ein Funktionsgeschoss und ein Parkhaus mit 4 Etagen entstehen. Das alles unter völlig instabilen Wänden, die zu erhalten waren. Es grenzt fast an ein Wunder menschlichen Leistungsvermögens, dass dieser Riesenkomplex in historischem Flair in einer Bauzeit von drei Jahren, von 1992-1995, errichtet wurde und seitdem als Hotel und Restaurant reichlich Zuspruch findet. Die Geschichte des Palais von einstigen Bürgerhäusern bis zum Palais August des Starken und seiner Nachkommen sowie Zerstörung und Wiederaufaufbau hatte Manfred Pilz bereits im April 2018 berichtet und nun konnte die heutige Pracht vor Ort bestaunt werden.
Zu einem weiteren Höhepunkt gestaltete sich der Besuch des Elias-Friedhofs in der Pirnaischen Vorstadt. Der Friedhof wurde zur Zeit angelegt, als in Dresden 1680 die Pest wütete, die Leichen mussten schnell außerhalb der Stadtmauer entsorgt werden. Das geschah auf einem Feld in großen Massengräbern. Daraus wurde danach ein Friedhof für die Armen. Erst mit der Errichtung der Frauenkirche, die auch das Gelände des Frauenkirchhofs benötigte, wurde der Eliasfriedhof gestaltet. An den Außenmauern wurden repräsentative Grufthäuser nach Entwürfen von George Bähr angelegt, sie zeugten vom Reichtum der Dresdener Bürger. Beigesetzt sind außerdem viele berühmte Persönlichkeiten, die die Kultur der Stadt prägten. 1876 wurde der Friedhof geschlossen und war dem Verfall preis gegeben. Im Zweiten Weltkrieg zerstörten Bomben die Grufthäuser und viele wertvolle Skulpturen und Grabmale. Danach versank der Friedhof vollkommen in einen Dornröschenschlaf, das gesamte Areal wucherte zu.
Vom ehemaligen Reichtum lässt sich heute wieder einiges erahnen, nachdem sich seit den 90er Jahren ein Förderverein für den Erhalt des Friedhofs stark machte und in mühevoller Arbeit den Bewuchs entfernte, einige Grufthäuser wieder aufbaute und die Grabplatten erforschte. Maßgeblicher Initiator ist der Bildhauer Elmar Vogel, der durch sachkundige Führungen dieses Vorhaben weiter bekannt machen möchte. Er verfügt über ein so Detail reiches Wissen, dass die Teilnehmer fast verblüfft waren, was man an verwitterten und teilweise zerstörten Grabplatten so alles "lesen" kann. Das eine sind die Namen, dazu gehören Dr. Justus Friedrich Güntz, Rechtsanwalt und Redakteur des "Dresdner Anzeigers", der Hofbaumeister Friedrich Gottlob Thormeyer, der Astronom und Geodät Wilhelm Gotthelf Lohrmann, Johanne Justine Renner - die "Gustl von Blasewitz" aus Schillers Wallenstein, der Komponist Johann Gottlieb Neumann, die Maler Johan Christian Clausen Dahl und Johann Christian Klengel, des weiteren Philosophen und Pastoren. Es finden sich auch mehrere Grabmale nach Entwürfen von Caspar David Friedrich.
Ein weiterer wichtiger Aspekt allerdings ist die Ikonografie, das sind die Bilder und Symbole, die man fast ausnahmslos auf allen Grabmalen findet. Der Mohn steht für den Schlaf, die nach unten gehaltene Fackel ebenfalls, Schlangen stehen für Unendlichkeit, Schmetterlinge für die Wiedergeburt, eine abgebrochene Säule symbolisiert einen unerwarteten Tod, Palmzweige stehen für Ehrerbietung, und die Motte stirbt im Licht. Auch Zahlen spielen bekanntlich symbolische Rollen, da sind die vier Himmelsrichtungen und die vier Jahreszeiten, zusammen mit dem Dreieck bilden sie die Zahl sieben, die Vollkommenheit.
Es ist schon beeindruckend, was man auf einem relativ kleinen, fast vergessenen Friedhof alles entdecken kann und ganz nebenbei werden mehr als 300 Jahre Geschichte der Stadt Dresden in Erinnerung gerufen. Für die Teilnehmer der Exkursion des Hoyerswerdaer Kunstvereins war der Tag somit ein erfüllter Tag im doppelten Wortsinn.