Ernst Barlach - zeitlos und höchst aktuell
Erich Busse, Dresden, erinnert an Ernst Barlach, Margreth Dennemark, Neheim, an Franz Stock, beim Hoyerswerdaer Kunstverein.
Die Bildhauerei ist eine Kunstform die nur wenige perfekt beherrschen, denn eine Skulptur oder Plastik lebt von der Ausrichtung im Raum. Sie muss sozusagen in drei Richtungen auf uns wirken und von allen Seiten die Idee des Künstlers erkennen lassen. Ernst Barlach beherrschte diese Kunst so überwältigend, dass man nur ein Werk von ihm gesehen haben musste, um seine Handschrift in allen anderen wieder zu erkennen.
Erich Busse erinnert mit einer beeindruckenden Bilderfolge an diesen großen Künstler. Ernst Barlach wurde am 2. Januar 1870 in Wedel bei Hamburg geboren, aufgewachsen ist er in Schönberg und Ratzeburg. Der Vater war Arzt, der Großvater Pfarrer. Beide prägten maßgeblich das Weltbild Barlachs, durch Bibelkenntnis und soziales Engagement. Nach Studium, Aufenthalten in Paris, Florenz und Berlin, reiste er 1906 zu seinem Bruder nach Russland. In Charkow findet er eine andere Welt mit einem weiten Himmel und Menschen, die zwar arm sind, aber Zeit haben. Hier entstehen die Skulpturen "Blinder russischer Bettler" und "Russische Bettlerin".
Ab 1910 wird die Stadt Güstrow sein Lebensmittelpunkt. In Güstrow entstehen neben seinen vielen bildhauerischen Arbeiten auch Theaterstücke und wunderbare Grafiken. Im ersten Weltkrieg meldete sich Barlach freiwillig und begeistert als Soldat in den Krieg, um danach völlig umzudenken. Aus diesem Anlass entsteht das "Magdeburger Mal" im Dom von Magdeburg, geschnitzt in Eiche. Dargestellt sind drei Soldaten, stellvertretend für Deutschland, Russland und Frankreich, sie umfassen ein Kreuz, das wie ein Grabkreuz die Jahreszahlen des Krieges trägt. Ohnmächtig und reglos stehen die Soldaten vor Massentod und Leiden. In der unteren Reihe wird die Gruppe durch Figuren von Trauer, Tod und Verzweiflung ergänzt. Es ist ein Kriegerdenkmal wider den Krieg, das von den ausdruckstarken Gesichtern und Händen lebt und von einer unnachahmlichen Kunst von Körpersprache. Ist in die Figur der Verzweiflung vielleicht eine Spur von Erkenntnis eingeschnitzt, wie bei Barlach selbst?
Erich Busse weist auf die auf ein Minimum reduzierte Ausformung der Skulpturen Barlachs hin, die Seelenzustände in Gesicht und Körperhaltung gerade deshalb überwältigend ausdrückt? Dazu gehören die Bronzeskulpturen "Mutter Erde", "Der Apostel", "Der Geistkämpfer", "Der singende Mann", "Die gefesselte Hexe", das "Wiedersehen Jesus und Thomas", "Der Zweifler", eine Pieta mit einem Soldaten in Stralsund, "Die lesenden Klosterschüler" und, und und...
Das wohl bekannteste Werk ist der "Schwebende Engel" im Dom zu Güstrow. Barlach gab ihm die Züge von Käthe Kollwitz, die später für ihn eine anrührende Grabrede halten wird. Die Skulptur scheint über der Zeit zu schweben, der Ausdruck des Gesichts völlig ruhig, die Augen geschlossen und sehend zugleich, die Hände demütig gekreuzt, doch auch groß und kraftvoll. Als diese Figur 1937 aus dem Dom entfernt und zerstört wird, beginnt für Barlach die Zeit von Anfechtung und Verleumdung, seine Kunst ist in den Augen der Herrschenden entartet, er erhält Berufsverbot, sein Lebensmut verlischt.
Er stirbt am 24. Oktober 1938 in Rostock nach einem Herzinfarkt. Seine Lebensgefährtin, Marga Böhmer, wird das Erbe Barlachs retten und pflegen, sie sorgt dafür, dass die Gertrudenkapelle in Güstrow 1953 zu einem Museum umfunktioniert wird. Heute kann in Güstrow ein weiteres Museum im ehemaligen Wohnhaus Barlachs am Inselsee besucht werden und ein dazugehöriges Ausstellungsforum, in dem auch das grafische und das literarische Werk gewürdigt wird.
Franz Stock - ein Wegbereiter der europäischen Einigung
Ein weiterer interessanter Aspekt des Abends war ein Vortrag von Margreth Dennemark, einem Gast aus Neheim an der Ruhr. Sie gehört zum Franz- Stock- Komitee für Deutschland und sorgt dafür, dass Name und Lebensleistung von Franz Stock in Europa bekannt werden.
Franz Stock lebte von 1904 bis 1948 und erlebte somit die Schrecken beider Weltkriege.
Geboren in Neheim, geht er nach Gymnasium und Abitur zum Theologiestudium nach Paderborn und Frankreich und wird zum Priester geweiht. 1934 wird er Rektor der deutschen Gemeinde in Paris. Er arbeitet als Seelsorger in Pariser Gefängnissen und betreut 1944 deutsche Kriegsgefangene, ohne Ansehen von Person und Glauben, wird daraufhin im amerikanischen Gefangenenlager Cherbourg interniert.
Nach Kriegsende übernimmt er die Leitung eines Priesterseminars hinter Stacheldraht in Le Chodray, wo 900 internierte deutsche Theologen vorbereitet werden für die spätere Arbeit in einem neuen Deutschland, vordergründig geht es um die Aussöhnung der Völker.
Franz Stock stirbt 1948 in Paris.
"Er war einer der ersten, die verstanden, dass Versöhnung eine Geisteshaltung ist, etwas, das jeden Tag neu gewonnen werden will, sagte Präsident Jaques Chirac über ihn. Gemeinsam mit Erich Busse reiste Margreth Dennemark noch am gleichen Abend nach Polen weiter, um dort für eine Ausstellung zu Franz Stock zu werben.