Ein langer Weg zu einem kurzen Glück
Der Briefwechsel zwischen Eva Catharina König und Gotthold Ephraim Lessing
Der Briefwechsel zwischen Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) und seiner späteren Frau, Eva Catharina König ( 1736-1778), ist ein kluger Einblick in die Zeit des 18. Jahrhunderts. In den Jahren von 1770 bis 1776 schrieben sich Lessing und Eva Catharina König 193 Briefe, die größere Hälfte davon stammt aus der Feder von Eva Catharina..
Dieter Fratzke, ehemaliger Leiter des Lessing-Museums Kamenz, und Birka Siwczyk von der Arbeitsstelle für Lessing-Rezeption gestalteten einen interessanten und lehrreichen Abend zu diesem Briefwechsel. Grundlage der Lesung bildete eine dramaturgische Bearbeitung von Helmut Rudloff aus dem Jahr 1979, die anlässlich des 250. Geburtstags Lessings entstanden war. In szenischen Lesungen erfährt der Zuhörer von den Lebensumständen der Briefpartner, von den Zwängen und Normen der Zeit, in der sie lebten, und natürlich werden die schönsten Textstellen aus den Briefen zitiert. Hier ist Lessing nicht der Dichter, sondern der Mensch.
Gotthold Ephraim Lessing verbrachte die Kindheit in seiner Geburtsstadt Kamenz, als lokalpatriotische Ergänzung muss unbedingt erwähnt werden, dass er gelegentlich zu Ferienaufenthalten bei seinem Onkel Theophil in Hoyerswerda weilte. 1741 wurde er Schüler in St. Afra in Meißen und ging zum Studium nach Leipzig und Wittenberg, studierte Theologie und Medizin, frei nach Goethe "durchaus mit heißem Bemühen", wechselte aber bald zu Poesie, Philosophie, Sprachen, Mathematik, Physik und Theater. Zwischenaufenthalte in Berlin, als Redakteur bei der Vossischen Zeitung, und später gemeinsam mit Friedrich Nicolai und Moses Mendelssohn als Herausgeber der "Briefe, die neueste Literatur betreffend".
Nächste Stationen sind Breslau und Hamburg. In der Breslauer Zeit entstehen "Laokoon" und "Minna von Barnhelm". Das Letztere wird am Hamburger Nationaltheater uraufgeführt, wo Lessing eine Stelle als Dramaturg angenommen hatte, die er wegen der Schließung des Theaters bald wieder verlor. Deshalb wird er 1770 Bibliothekar der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. In Hamburg hatte er im weltoffenen Haus der Familie König viele berühmte Persönlichkeiten kennen gelernt und mit der Familie ein freundschaftliches Verhältnis gepflegt. Engelbert König, der Tapeten- und Seidenhändler, stirbt 1769 und Lessing hilft Eva Catharina König und ihren vier Kindern, das Leben neu zu ordnen. Da Lessing ab 1770 in Wolfenbüttel wohnt, werden Ratschläge und Meinungen brieflich ausgetauscht.
Aus einer anfänglichen Freundschaft entwickelt sich ein Liebesverhältnis. Lessing beschreibt Eva als lebensklug und voller Seelenruhe, was man dem Briefwechsel auch anmerkt. Denn es ist außergewöhnlich, dass ihre Zuneigung über so einen langen Zeitraum nie nachlässt, auch wenn Lessing manchmal Monate lang nichts von sich hören lässt.
Eva König muss in dieser Zeit mehrmals für lange Zeit nach Wien reisen, um die Geschäfte ihres Mannes zu Ende zu führen und Lessing bemüht sich beharrlich und stolz, eine finanzielle Möglichkeit zu erschließen, die es ihm ermöglicht, eine angemessene Wohnung zu finden und Frau und Kinder zu ernähren. Eine Möglichkeit ist die Teilnahme an der Hamburger Lotterie, wobei sich beide die "sicheren" Gewinnzahlen mitteilen, aber kaum etwas gewinnen, beide versichern sich gegenseitig, nie mehr als einen Louisdor zu setzen. Am Ende schreibt Lessing: "Meine liebste Freundin, ... wenn ich es recht überlege, ist diese Art, reich zu werden, weder Ihrer noch meiner würdig...". Einen großen Teil des Briefwechsels füllen die Reisebeschreibungen. Eva erlebt schlechte Kutschen und Straßen, auf denen die Kutschen mehrfach umstürzen und die Pferde ebenso, die Poststationen sind ernüchternd. Eine Art des Reisens, die wir uns heute gar nicht vorstellen wollen. Lessing reist nach Wien, um dort Eva zu treffen, muss sich aber dann der Reisegesellschaft des jungen Prinzen von Braunschweig nach Italien anschließen, sie fährt allein zurück nach Hamburg. Zurück in Wolfenbüttel, erhält Lessing eine angemessene Wohnung, bisher lebte er ganz allein in dem riesigen verlassenen Schloss. Das machte ihn schwermütig. Eva schreibt deshalb. "Ich kann nicht schließen, ohne mich noch ein wenig wegen Ihrer Schwermut zu zanken. Ich muss Ihnen nur sagen, dass ich die Schwermut für eine sehr mutwillige Krankheit halte, die man nicht los wird, weil man sie nicht los werden will... "
In der Zeit des Briefwechsels entstanden die meisten Fabeln Lessings und das Trauerspiel "Emilia Galotti". Lessings Theaterstücke werden an verschiedenen Bühnen gespielt, ein großer Teil der Briefe befasst sich deshalb auch mit dem Theater, doch diesen Teil hatte Dieter Fratzke für diesen Abend nicht ins Programm genommen.
Endlich im Jahr 1776 werden beide in York bei Hamburg heiraten und mit drei von Evas Kindern nach Wolfenbüttel ziehen, womit der Briefwechsel zwangsläufig endet. Für Lessing beginnt das glücklichste Jahr seines Lebens. Am Weihnachtsabend 1777 wird der Sohn Traugott geboren, der aber nach zwei Tagen stirbt, Eva Catharina Lessing stirbt am 10. Januar 1778 an Kindbettfieber. An den Freund Eschenburg schreibt Lessing über den Tod des Sohnes: "... War es nicht Verstand, ...dass er sobald Unrat merkte? ... dass er die erste Gelegenheit ergriff, sich wieder davon zu machen?" Und nach dem Tod Evas: "Meine Frau ist tot: und diese Erfahrung habe ich nun auch gemacht. Ich freue mich, dass mir viel dergleichen Erfahrungen nicht mehr übrig sein können zu machen." Für den Rest des Lebens ist er ein Gezeichneter.
In den nächsten Jahren schreibt er trotz allem die religionsphilosophische Schrift "Die Erziehung des Menschengeschlechts" und sein wohl berühmtestes Werk "Nathan der Weise". Er ist den drei Kindern von Eva ein liebenswerter Vater. Am 15. Februar 1781 stirbt Gotthold Ephraim Lessing in Braunschweig.
Ein toller Streifzug durch die Geschichte der Zeit und das Leben der Lessings, den Birka Siwczyk und Dieter Fratzke sprachlich perfekt und inhaltlich spannend dargeboten haben. Bei den Zuhörern wird er lange nachklingen.