Buchlesung mit Sewan Latschinian, Dr. Adelheid Latschinian und Prof. Dr Sarkis Latschinian bei Kunstverein und Bildungswerk für Kommunalpolitik Hoyerswerda.

Die Referenten

Sehnsucht ohne Ende – so könnte man das Denken und Fühlen des armenischen Volkes beschreiben, und deshalb hat Dr. Adelheid Latschinian als Herausgeberin ihrem armenischen Erzählband diesen Titel gegeben. Armenien, das Land mit einer 3000 Jahre alten Kultur und einer ganz besonderen Landschaft am Fuße des Berges Ararat fasziniert durch seine Menschen, Menschen, die seit dem Jahr 301 stolz auf ihre christliche Herkunft sind, die Traditionen ohne Zwang leben und die, obwohl über die ganze Erde verstreut, sich nach einer gemeinsamen Zukunft sehnen. 
Die Kultur Armeniens ist von solch einer geistigen Vielfalt geprägt, dass man nur staunen kann. Eine eigene Schriftsprache gibt es schon seit dem 5. Jahrhundert und die Kinder werden frühzeitig zu gebildeten Menschen erzogen, die mit ihrer Kultur eng verbunden sind. 
In alle großen Machtverschiebungen unter Alexander dem Großen und unter dem Römischen Reich, in die Feldzüge des Osmanischen und Russischen Reiches war Armenien aufgrund seiner zentralen Lage zwischen Okzident und Orient verwickelt und hat deshalb unzählige Male seine Grenzen ändern müssen, zuletzt in den Jahren 1920 /22 als ihr heiliger Berg Ararat in das Territorium der Türkei eingeordnet wurde. Die Identität des armenischen Volkes hat auch das nicht verändern können. So ist heute eine reiche Literatur zu bewundern, die Dr. Adelheid in einer kleinen Auswahl von Erzählungen vorstellt.
Prägende politische Ereignisse für die literarische Widerspiegelung sind die Pogrome von 1895 und 1915 bis 1922, wobei 1,5 Millionen Armenier getötet wurden, und die daraus resultierende Flucht vieler Armenier in die ganze Welt. Berichtet wird über Ohan-emmi, der im Gefängnis gelernt hatte, die Geduldspfeife zu rauchen, bis sich das Tor der Freiheit öffnet, über Lar-Markar, der als einziges aus dem Massaker von 1915 seinen Enkelsohn und eine Hand voll Aprikosenkerne rettet. Aus beiden erwächst für ihn eine neue Heimat in der Fremde.
Allen Erzählungen ist eine anrührende melancholische Grundstimmung eigen, die aber trotz aller Repressalien eine neue Hoffnung verkündet und das Leben bejaht.
Professor Dr. Sarkis Latschinian gibt eine sensible und sachkundige Auskunft über die machtpolitischen Hintergründe des alten und heutigen Armeniens. Er selbst ist ein Betroffener aus den Massakern von 1915 der Türken gegen die Armenier, wobei er seinen Vater verlor. Ein Teil der Familie lebte fortan im Libanon. Er selbst ist Professor in Leipzig. Befragt über sein Verhältnis zu dem türkischen Literatur -Nobelpreisträger 2006, Orhan Pamuk, antwortet er: Ich habe noch zwei leibliche Brüder in Beirut, jetzt habe ich einen weiteren in Istanbul.
Die Krönung des Abends allerdings war die Lesung von Sewan Latschinian, Sohn von Adelheid und Sarkis Latschinian und selbst Intendant am Theater Senftenberg. Sichtlich betroffen liest er die Erzählung: „Mein erste ABC“. Als kleines Mädchen verliert Lusik bei dem Pogrom von Izmir 1922 Eltern und Bruder. Aus den traumatischen Erlebnissen entsteht erst nach langen Jahren des Suchens durch das Finden einer Verwandten und durch den fragenden Sohn eine neue Hoffnung für sie und ihre Familie. Beeindruckend gelesen auch die Erzählung „Die Hardenbergstraße“. Schön wäre es gewesen, hätte Sewan Latschinian noch mehr vorgetragen.

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