Wenn Eifersucht zur Droge wird
Drei Berliner Schauspielerinnen, Ines Burdow, Karin Düwel und Nicole Janze, lesen "Eifersucht" nach Esther Vilar, in einer Matinee beim Hoyerswerdaer Kunstverein
Wer Theaterstücke von Esther Vilar kennt, kann sich einen Reim darauf machen, was ihn in einem solchen mit dem Titel "Eifersucht" erwartet. Zynismus und Sarkasmus vom Feinsten, Erotik pur, Frauen in einem Zickenkrieg, alles, was dem Alltag Würze und Spannung gibt. Doch bei Esther Vilar bleibt es nicht an der komödiantischen Oberfläche, bei ihr geht es um Wesentliches, um genaues Gespür für Charaktere, die am Ende trotz aller Individualität so verschieden gar nicht sind.
Die Besucher der Matinee erleben bei der Lesung "Eifersucht" drei Frauen in einem Konflikt um einen einzigen Mann, Laslo, der nicht so schön ist, wie man bei so viel weiblichem Interesse vermuten könnte. Es gibt Helen (Karin Düwel), die Ehefrau seit 18 Jahren, dazu gesellt sich die Geliebte, Yana (Ines Burdow), die Femme fatal, 15 Jahre jünger als der Mann, und eine zweite Geliebte Iris (Nicole Janze), die Buddhistin, 25 Jahre jünger. Esther Vilar lässt diese drei Frauen auf engstem Raum agieren, in einem Hochhaus in New York, jede in einem anderen Stockwerk wohnend, sie werden sich nie begegnen und der Mann taucht in dem Stück gar nicht auf. In den Augen der Frauen aber ist er begehrenswert, liebenswert, humorvoll und erfolgreich, Negatives über ihn ist nicht zu hören, trotz Bauch und grauem Haar.
Esther Vilar wurde am 16. September 1935 in Buenos Aires geboren, studierte in Argentinien Medizin, später in Deutschland Soziologie und Psychologie, sie lebt heute in der Schweiz.
1972 begann sie, Theaterstücke und Romane zu schreiben, in denen das Thema Mann und Frau zwischen "Freiheit und Gefangenschaft" immer wieder neu interpretiert wird.
So auch in "Eifersucht": Yana, die erfolgreiche Architektin, die Schöne, begegnet dem Mann Laslo, einem erfolgreichen Anwalt, im Fahrstuhl, es beginnt eine Liebe, für beide mit größter sexueller Lust. Helen weiß nichts davon, wird aber von Yana per E-Mail aufgefordert, Laslo ihr zu überlassen, "ich liebe Ihren Mann, er liebt mich". Helen, ebenfalls Anwältin, wie ihr Mann, antwortet sehr überlegen, und rät der Rivalin, sich einen Job in einer Kanzlei eines Anwalts für Ehescheidungen zu suchen oder bei einem Beerdigungsinstitut, dort kommen einsame Männer zuhauf vorbei, ihr Mann ist nicht zu haben. Und so beginnt ein Briefwechsel per E-Mail, der einerseits mit feinster Ironie geführt wird, andererseits mit den unflätigsten Beschimpfungen. Als dann noch die Dritte im Bund, Iris, die Studentin der Indologie, die Zärtliche, die Friedvolle, in den Reigen um Laslo eintritt, entsteht das gleiche Verhaltensmuster, anfangs mahnt sie die beiden Älteren zum Frieden, doch dann benutzt auch sie fiese Wortwendungen, der Friede kommt ihr abhanden.
Jede der drei Frauen ist überzeugt, sie sei die einzig wahre Geliebte. Wohl deshalb, weil der Mann Laslo, jede in ihrer Eigenart liebt, schön und begehrenswert findet.
Alle drei Schauspielerinnen, Karin Düwel, Ines Burdow und Nicole Janze liefern die perfekte Verkörperung ihrer Rolle, ohne Kostüm und Maske, für das Publikum ein gelungenes bühnengerechtes Wahrnehmen allein durch Sprache.
Das Ende: Yana tröstet sich mit einem Jüngeren, Iris sieht sich verraten, als Laslo plötzlich wieder Steak essen will, Ehefrau Helen erhält ihren Mann zurück. Doch will sie das wirklich? Zur wahrhaften Liebe gehört Eifersucht, die ist ihr zur lebensnotwendigen Droge geworden. Wo soll sie die jetzt hernehmen, wenn Laslo nur noch sie lieben will?