Ein bewegtes Leben vollendete sich
Am Montag nahm eine große Gemeinde in Hoyerswerdas Johanneskirche Abschied von Oberbürgermeister a.D. Horst-Dieter Brähmig (23.10.1938-27.06.2017). Diese Stunde achtungsvollen Schweigens, gemeinsamen Singens – wohl auch Betens – weckte sicher in jedem Zuhörer ein eigenes Bild dieses Mannes. Alle kannten ihn – und noch viel mehr als in der Kirche Platz hatten – gewiss jeder auf andere Weise. Obwohl er von schwerer Krankheit gezeichnet war, der plötzliche endgültige Abschied bleibt schmerzlich. Die Achtung vor dem Toten und seiner Lebensleistung vereinte die Trauernden. Erinnerungen wurden geweckt. Die Mitglieder des Kunstvereins erfuhren bereits bei ihrem Gesprächsabend am Donnerstag die Nachricht vom Tod des sehr geachteten Gesprächspartners und Kunstfreundes, wie das gemeinsame Schweigen zeigte. Viele erinnerten sich an Begegnungen, an die Jahre seines aktiven verantwortlichen Handelns nach 1990 für diese seine Geburts- und die gemeinsame Heimat-Stadt.
Nach der deutschen Einheit 1990 zog Horst-Dieter Brähmig das Gespräch über unterschiedliche Meinungen als Fraktionsvorsitzender der PDS in der Stadtverordnetenversammlung dem Streit über Prinzipien vor und wirkte damit zum Guten in der Stadt. Er verhalf mit den Stimmen seiner Fraktion dem Antrag der evangelischen Kirche, in Hoyerswerda ein Gymnasium mit christlichem Profil zu gründen, zum Erfolg. Dessen Gründung und Wachsen, den Bau des Schulgebäudes unterstützte er im Rahmen seiner Möglichkeiten. Das Leben in der Schule erinnerte ihn wohl an seine Schulzeit in Jahren mit Provisorien. Er wollte zu Neuem helfen, ohne jemand zu bevorteilen. Inzwischen schuf sich diese Schule - wie auch die anderen Lehranstalten der Stadt – ein eigenes Profil. Sie alle ziehen - jede für sich - Interessenten aus dem Umland zum Lernen in die Stadt. Als einstiger Schüler des Lessing-Gymnasiums engagierte er sich seit dem ersten Besuch 1993 des früheren Lessing-Schülers für den Kontakt und die Förderung des Gesprächs mit dem „Vater des Computers“. Mehrfach konnte man ihn – ob in Hoyerswerda oder Hünfeld, wo Professor Zuse wohnte – im intensiven Austausch von Erinnerungen mit dem berühmtesten Schüler der Stadt und seinen einstigen Mitschülern sehen. Beide tauschten sich gern über ihre Schulzeit in dem einst kleinen Hoyerswerda aus. Dass Horst-Dieter Brähmig im Frühjahr dieses Jahres die Eröffnung des Konrad-Zuse- Computer- Museums erleben konnte, war das schönste Ergebnis seiner jahrelangen Mühe, von der nur wenige Mitbürger wissen. Horst-Dieter Brähmig war stets bescheiden. Der Hoyerswerdaer Kunstverein durfte ihn nicht nur zum ersten Brigitte Reimann – Spaziergang durch Hoyerswerda begrüßen, er eröffnete für den Verein mit Sewan Latchinian, dem Intendanten des Senftenberger Theaters, und Margitta Faßl, der Geschäftsführerin der Wohnungsgesellschaft, die Brigitte Reimann-Begegnungsstätte, um das Andenken der berühmtesten Schriftstellerin, die in dieser Stadt lebte und weltweit mit ihren Büchern von ihr erzählt, zu pflegen. Beide Gründungen wurden zu einem Anziehungspunkt in unserer Stadt für Gäste aus Europa und Übersee. Unvergessen bleibt Horst–Dieter Brähmigs Kunst, Geschichten zu erzählen, häufig aus seinen eigenen Erlebnissen und Beobachtungen komponiert. Darin glich er dem sorbischen Dichter Jurij Brezan, mit dem er oft stundenlange Telephonate führte. Als nach dem Tod des Dichter dessen letzte Erzählung „Der alte Mann und das enge Weite“ erschien, organisierte der Kunstverein auf Brähmigs Bitte hin, eine Lesung dieses Textes durch den Schauspieler Sewan Latchinian im Schloß Hoyerswerdas. Der volle Saal war das schönste Echo auf Brähmigs Liebe zu diesem Meister der sorbischen Erzählkunst und dessen Gesprächspartner. Mehrfach verabschiedeten wir uns mit dem Versprechen: “Wenn wir einmal Zeit und Ruhe haben, sollten wir uns auf eine Bank im Park setzen und uns gegenseitig Geschichten erzählen.“ Nun ist Horst-Dieter Brähmig von uns gegangen. Wer wird nun die Geschehnisse dieses Lebens ebenso heiter, von Schmunzeln und Nachdenken begleitet, tiefsinnig und lebensnah zugleich erzählen können wie er? Nicht nur darin wird er uns fehlen! Martin Schmidt