Der Maler ist das Auge der Welt
Otto Dix – ein Maler und sein Werk werden neu betrachtet
„Der Maler ist das Auge der Welt“. Dieses Bekenntnis von Otto Dix (1891-1969) stand ungeschrieben über dem Vortrag von Erich Busse, Pfarrer i.R. in Dresden, am Donnerstag der vergangenen Woche im Hoyerswerdaer Kunstverein. Er nahm - wie immer bei seinen nahezu 25 Vorträgen in Hoyerswerda - seine große Zuhörerschar von Anfang an gefangen nahm , da er weniger Worten Raum schenkte als vielmehr dem Betrachten eindrucksvoller Wiedergaben von Bildern des Malers Zeit und Raum schenkte. Dadurch glich der Abend einem geruhsamen, gemeinsamen Spaziergang durch eine Galerie mit Arbeiten des Malers Otto Dix. Erstaunt stellten selbst Verehrer der Arbeiten von Otto Dix fest, dass sie eine so umfangreiche Auswahl seiner Werke bisher kaum gesehen hatten. Wird dessen Werk doch gelegentlich auf die aufrüttelnden Darstellungen zum ersten Weltkrieg beschränkt, deren Aktualität leider nicht geleugnet werden kann. An diesem Abend kamen Kunstwerke des Malers zu Gesicht, die durch Umfang, die Vielfalt und durch die Eindringlichkeit ihrer Darstellung gefangenb nahm. Der Vortragende skizzierte den Lebensweg vom Kind aus einem Arbeiterhaushalt, das - von seiner musisch interessierten Mutter angeregt und von einem Lehrer gefördert früh - seine bildnerische Begabung erkennen ließ. Nach der Lehre als Dekorationsmaler nahm er folgerichtig – wie zahlreiche seiner Altersgenossen - das Studium an der Kunstgewerbeschule in Dresden auf. Dann meldete sich Otto Dix -wie viele seiner Generation - bei Beginn des Krieges freiwillig als Soldat und kam zu einer Maschinengewehr-Kompanie. Erich Busse zeigte ein Foto der damaligen Ausrüstung und Schutzlosigkeit der Soldaten. Bilder vermittelten die Schwere, die Gefahr und den Wahnsinn des Krieges, der zu einer bitteren Lebenserfahrung der Jugend jener Generation wurde. Die Skizzen des Malers, auf denen auch seine später entstandenen Bilder beruhen, vermitteln bedrängend einen Zusammenhang von schrecklicher Lebenserfahrung und den Motiven der Kunstwerke von Otto Dix. Zu dieser kommt der stete Rückgriff des Malers auf die Geschichten der Bibel, die ihm - auch wegen ihrer Wirklichkeitsnähe – von Erich Busse oft mit nur wenigen wohlgewählten Worte erzählt – immer wieder zu Grundlagen für Bilder werden.
Nach dem Krieg trat Otto Dix aus der Kirche aus. Er begründete diesen Schritt mit den Worten „Ich bin nicht in der Lage die Forderung Christi: Folge mir nach! zu erfüllen.“ Den Bildern und Erzählungen der Bibel blieb der Maler seine Leben lang treu, wie der Vortrag zeigte. Erich Busse half dem Verständnis mancher Motive durch kurz erzählten Inhalt einzelner Geschichten, um einfühlsam zur literarischen Grundlage des Malers zu führen. Damit half er behutsam auf das geistige Gut beider Künste - des Erzählens und des Malens zu achten. Auf die Weise wurden die Werke des Malers zum Mittelpunkt, ohne sich in Theorien über Kunststile, Zeitepochen oder Malweisen zu verlieren. Es gelang vielmehr, Otto Dix, die mannigfaltigen Botschaften seiner Bilder und auch verschiedene Varianten der Darstellung gleicher inhaltlicher Motive durch den Maler seinen Zuhörer nahe zu bringen (beispielsweise bei den Bildern vom Christophorus, vom Sündenfall, von den Heiligen Antonius und Franziskus, die den Fischen predigen „ Der kluge Wissende wird von seinen Mitmenschen nicht gehört“, kommentierte Erich Busse.) In den folgenden Jahren rang der Maler mit dem Trauma des Krieges, mahnte vor ihm. Bereits 1015 entstand sein erstes Bild „Kreuzigung“, zudem der Maler während des Krieges zahlreiche Skizzen erstellt hatte, um seine eigene Aussage zu finden und malerisch festzuhalten. 1918 folgte „Auferstehung“. Beide weisen bereits auf seine großen Bilder gegen den Krieg hin, die – wie bereits gesagt -bekanntesten seines Werkes: „Schützengraben“ (1923); “Erinnerungen an die große Zeit“ (1923) – eine furchtbare Entlarvung der Propagandalügen angesichts vom Krieg zerstörter Gesichter; „Sturmtrupp geht zum Angriff über“ (1924); und im gleichen Jahr „Memento mori“ – Gedenke des Todes! Im Vortrag begegnete den Zuhörern aber auch der andere Otto Dix, der von seinen Kinder das Bild „Hanali und Muggeli“ malte und 1925 für Hanali ein Buch voller Bilder von den biblischen Geschichten „Jonas und der Wal“, „Daniel in der Löwengrube“, Legenden „Versuchung des hl. Antonius“ ,Sankt Georg und der Drache“, „Die Arche Noah in Seenot“, und viele mehr. Da Otto Dix auch zu mittelalterlichen Legenden nach biblischer Geschichten – z.B. aus der Apokalypse Bilder gestaltete, wies Erich Busse wies auf das Geheimnis hin, warum in frühen Zeiten das Böse in Tiergestalt dargestellt wurde, das Gute dagegen als Engel in Menschengestalt, denen Otto Dix folgte. Hingegen seien heute nach protestantischer Sicht beide Charakterzüge jedem Menschen eigen, wir also selbst verantwortlich für unser Tun. Er erzählte wie die Legende von Christophorus (dem Christusträger) entstand, der die schwerste Last der Welt bewältigen wollte, und eines Tages von einem kleinen Kind – Jesus – in die Knie gezwungen wird. Otto Dix, malte die Legende dieser Szene jeweils in anderer Landschaft, mit anderer Aussage und wechselnder Haltung darstellte, gab der Aussage damit jeweils eine eigene Deutung. Bereits 1933 hatten die Nationalsozialisten den Maler aus der Dresdener Kunstakademie entlassen, ihm den Verkauf wie das öffentliche Ausstellen von Bildern verboten und seine Bilder aus den Museen entfernt. Freunde und Verehrer seiner Kunst halfen ihm den Lebensunterhalt zu sichern. In Malweise und Bildinhalt kann die dadurch entstandene Unsicherheit nachvollzogen werden. Bilder zu biblischen Themen, die von der Bedrängung des Menschen, von der Gefahr sein Leben zu verlieren, entstehen . Jedes zeigt einen Schimmer Hoffnung: 1939 „Lot und seine Töchter“. Erich Busse erzählte kurz die Geschichte der Bibel, wie Lot und seine Familie aus dem sündigen Ninive errettet werden, die Frau neugierig sich umblickend zur Salzsäule erstarrt, während die Töchter den Vater betrunken machen, um mit ihm Kinder zu zeugen, damit das menschliche Geschlecht nicht erlischt. Das im Hintergrund brennende Ninive auf dem Bild zeigt die brennende Silhouette Dresdens, das sechs Jahre später auf eben diese Weise untergeht Am Ende des Krieges muss der Maler wieder zu den Soldaten und gerät als Gefangener nach Colmar. Dort bietet sich ihm Gelegenheit, den Isenheimer Altar von Mathis Neithard Gotthardt (gen. Mathias Grünewald ca. 1440 -1525) von 1512-16 – einem Meisterwertk des späten Mittelalters, zu studieren. Die altdeutsche Malerei hatte bereits früher die Malweise von Otto Dix beeinflusst, dort setzte sich der Maler erneut damit auseinander, so bei den Landschaften seiner Heimat als Hintergrund seiner Bilder. Sie zeigen den Bodensee und die Berge. Sie fesseln die Blicke des Betrachters. Den Vortrag schloss Erich Busse mit einem Bild von 1940: Über bewegtem Wasser eines Sees steht ein Regenbogen, das biblische Zeichen des Friedens zwischen Himmel und Erde, Gott und den Menschen. Dieser Bogen stützt sich scheinbar auf den Turm einer Kirche, um sich von dort weit über Wasser, Berge, Städte, Grenzen in den Himmel zu spannen. Für Erich Busse war dies eine Mahnung des Malers an die Christen und die Kirchen, ihrer Aufgabe als Friedensstifter gerecht zu werden, auch für jene, die sich einst den Mördern im Nationalsozialismus nicht widersetzten. Der Vortragende entließ seine Zuhörer mit Nachdenken über beeindruckende Bilder, beantwortete Fragen und nahm weitere Einladungen entgegen, um das Gespräch, das bereits seit einigen Jahren - zu immer neuen Themen und Einsichten – geführt wird , fortzusetzen; demnächst mit einer Exkursion nach Lutherstadt Wittenberg. Kunstbetrachtung in dieser Weise verharrt nicht in der Vergangenheit, sie lädt zu offenem, angenehmem fröhlichem Gedankenaustausch ein, zum gemeinsamen Leben in dieser Zeit, sie mahnt zum Frieden und erfreut durch Vielfalt.