„Ich freue mich auf die Bekanntschaft mit Ihnen“
heißt es in dem ersten Brief von Christa Wolf (1929-2011)an den Freundeskreis der Künste und Literatur in Hoyerswerda im Frühjahr 1969. Ihr in jenem Jahr erschienenes Buch „Nachdenken über Christa T.“, Gespräche mit Gerhard Wolf, ihrem Mann, und mit Brigitte Reimann gaben den Anstoß. Aus ersten Lesungen beider wurden jährliche Begegnungen, um ihre neu erschienenen Bücher oder Manuskripte vorzustellen und zu diskutieren. Die Literaturfreunde kannten auf die Weise die neueste Literatur dieser und anderer Autoren in der DDR, die über die Grenzen hinweg geschätzt wurden, aus erster Hand. Sie konnten hingegen von ihrer Arbeit erzählen, die neuentstehende Stadt zeigen, über Aufgaben und erkannte Probleme sich austauschen. „Man braucht es, immer mal wieder in Frage gestellt zu werden, für mich ist die Konfrontation mit Euch auch immer eine Probe“, gesteht die Schriftstellerin bereits am 19.02.1970. Diese vertrauensvolle Haltung bestimmte das Miteinander vierzig Jahre lang. Da wurde der Eulenspiegel-Film nicht nur diskutiert, sondern auch über das ausgehende Mittelalter beraten, zu Hölderlin und der Romantik las sie aus ihren Büchern, stellte sich der Frage nach der Aktualität dieser Aussagen, die erst viel später verstanden wurden. Nach den Reisen in die USA gestand sie: „Für Amerika sind wir nicht geeignet“. Erzählte dann jedoch von der wissenschaftlichen Methode „brain storming“, der Ideenfindung für schwierige technische Prozesse, die ihr in den USA begegnet war. Im gleichen Brief interessiert sie sich für Gespräche mit Brigaden, um deren leben, Denken und Weitsicht zu hören. Bei aktuellem Anlass mahnt sie spöttisch:„Kohlewerker, was ist bei Euch los, hier sind alle Schaufenster dunkel“, sie meinte in Berlin.1989 ruft sie in der Akademie der Künste eine Diskussionsrunde mit Schriftstellern,Technikern,Psychologen. Wissenschaftlern und Philosophen ins Leben, deren erstes Thema ihrem Buch „Störfall“ und der Katastrophe von Tschernobyl gewidmet ist. Die Leiter des Atom-Kraftwerkes Lubmin fragt sie dabei, ob ihr Kraftwerk wirklich so sicher sei wie sie ihr gesagt hatten. Ein gesellschaftlicher Diskurs lag ihr am Herzen, sie mahnte zur Wahrheit zur Ehrlichkeit gegenüber den Mitmenschen. Dies war auch ihr Grundsatz bei allen Gesprächen in unserer Stadt. Nicht der Unterhaltung diente Christa Wolf und ihr Schreiben, sondern der Erkenntnis der Zeit und der Ehrlichkeit im Nachdenken über unser Zusammenleben mit dem Anderen. Ihren Freunden bleibt sie unvergessen, ihnen gilt weiterhin ihre Bitte: „Wir müssen wieder einmal mit einander reden“, und bestätigt ein Sprichwort „Es ist besser ein Licht anzuzünden, als gegen die Finsternis zu kämpfen“. Ihre Bücher sind in dem Sinne vielfach strahlende Kerzen, die sie uns anzündete. Wir sind dankbar, sie als Gesprächspartnerin erlebt zu haben.