Gedanken werden sichtbar auf Papier

Volkmar Herold: Fürst Pückler Muskau (1785-1871) und Karl May (1842 - 1912) - ein Vergleich. Hoyerswerdaer Kunstverein 2016.

Volkmar Herold 2016 beim Hoyerswerdaer KunstvereinHermann Fürst von Pückler-Muskau und Karl May schreiben Reise-Literatur, wobei der Schwerpunkt deutlich auf Literatur liegt. Beide erzählen in der Ich-Form, verbinden Gelesenes und Erlebtes mit überschwänglichen Fiktionen zu geistreicher Poesie. Mit beinahe enthusiastischer Hingabe an ihre literarischen Figuren machen sie ihre Bücher authentisch und spannend. Eine Authentizität, die der Leser schmerzlich vermisst, wenn er den Orient einmal wirklich bereist.
Diesem Phänomen geht Volker Herold in seinem Vortrag nach: Vergleich von Erfolgen und Intentionen der Schriftsteller Fürst Pückler und Karl May. Am deutlichsten lassen sich beide in ihren Büchern zum Orient erfassen. Von Fürst Pückler kennen wir die orientalischen Reisebriefe "Semilasso in Afrika", "Aus Mehemd Alis Reich", "Südöstlicher Bildersaal", in ihnen werden Reiseerzählung und Reisebeschreibung gekonnt verknüpft. Meist in Briefform erzählt Semilasso von waghalsigen Abenteuern, von Glanz und Pracht an orientalischen Fürstenhöfen, von den gleißenden Schätzen des Altertums, von schönen Frauen und verfasst kritische Betrachtungen zu Politik und Macht.
Bei Karl May ist es Kara Ben Nemsi, der mit seinem skurrilen Diener, Hadschi Halef Omar, abenteuerliche Orientreisen in einem Zyklus von sechs Büchern beschreibt und die tollsten Eskapaden in traumhaften Landschaften erzählt. "Durch Wüste und Harem", "Durchs wilde Kurdestan", "In den Schluchten des Balkan", "Durchs Land der Skipetaren" und "Der Schut". Pückler konnte keine Bücher von May kennen, da dieser seine ersten Erzählungen nach 1880 veröffentlichte. Karl May hingegen hatte Bücher Pücklers in seiner Bibliothek stehen. Inwieweit er sie gelesen hat, ist nicht nachweisbar.
Beide Schriftsteller hatten ein ähnlich abenteuerliches Leben und eine ähnlich bewegte Phantasie, wenn auch ihre Herkunft unterschiedlicher nicht sein konnte.
Pückler war das erste von fünf Kindern des Erdmann von Pückler mit Clementine von Callenberg, seine Erziehung eine durch und durch aristokratische, umfassende Bildung war garantiert, frei von materielle Sorgen. In seinen Jugendjahren ist er der Schrecken seiner Erzieher, und auch später wird er mit ungewöhnlichen Kapriolen die Welt in Erstaunen versetzen. Er bereist die Welt und verfasst geistreiche, witzige Reisebeschreibungen, diese werden mehr gelesen als die Bücher seiner "Zeitgenossen" Goethe und Schiller.
May wurde als das fünfte von 14 Kindern einer Weberfamilie in Ernstthal geboren, in der das Hauhaltgeld immer knapp war. Seine Schulbildung wird vom Vater ersetzt, indem er den Sohn Bücher abschreiben lässt und ihm wissenschaftliche Werke aufdrängt. Einblick in die Musik verschafft ihm der Kantor von Ernstthal. Wie sich später herausstellt, wichtige Inspirationsquellen für seine Phantasie. Die weitere Ausbildung zum Lehrer erfolgt chaotisch, ebenso verlaufen seine ersten Anstellungen, jede Zeit von Aufenthalten im Gefängnis geprägt. Was ihm bleibt, ist seine Phantasie und die hilft ihm, in seiner Zeit der meist gelesene und übersetzte Autor von Reiseabenteuern zu werden, obwohl er von der Welt nur wenig gesehen hatte. Ihn kennt noch heute jedes Kind als die Helden Kara Ben Nemsi und Winnetou. 
Volkmar Herold ist ehemaliger Historiker der Stiftung Fürst Pückler Museum, Schloss und Park Branitz und Mitglied des Freundeskreises Karl May in Cottbus, für beide und für das Außergewöhnliche im Leben der beiden Schriftsteller, Pückler und May, schlägt sein Herz. So ist sein Motto nicht verwunderlich: „Ein Leben ohne Bücher ist, wie eine Kindheit ohne Märchen, ist, wie Jugend ohne Liebe, ist, wie Alter ohne Frieden.“ Mit seiner Begeisterung verführte er die Zuhörer, Bücher der beiden einmal aus dieser Sicht neu zu lesen.