Geschichten, die ein Strom erzählt
Lesung mit Michal Hvorecky (* 1976) innerhalb des Projektes "GrenzgägeR" der Robert-Bosch-Stiftung Bonn, unter der bewährten Moderation von Mirko Schwanitz, Journalist.
Mit einer Überraschung der besonderen Art begann eine Lesung beim Hoyerswerdaer Kunstverein. Bürgermeister Thoma Delling übergab einen Scheck in Höhe von 5.000 Euro der Stiftung Lausitzer Seenland Klinikum für die weitere Arbeit des Kunstvereins. Diese Stiftung ist eine Initiative der Sana-Kliniken AG zur Beförderung der kulturellen Arbeit in der jeweiligen Region. Hierfür ein herzliches Danke-schön.
Im weiteren Verlauf verfolgten die Zuhörer gespannt den Lauf der Donau aus der Sicht des jungen slowakischen Autors Michal Hvorecky, der die Donau und die damit verbundene Jahrhunderte währende Geschichte in kleinen Geschichten neu erzählt, in seinem Roman "Tod auf der Donau". Genial jongliert er mit Sprachwitz zwischen den Zeiten und Völkern hin und her, die die Donau erlebt hat, flicht so ganz neben bei eine Liebesgeschichte und einen Kriminalfall ein und lässt die Kreuzfahrt mit einer Schiffskatastrophe enden. Man ist überrascht, mit welcher Leichtigkeit die junge Generation vielseitige Bildung, Blick auf den ausufernden Kommerz und tiefes menschliches Empfinden gleichzeitig lebt.
Michal Hvorecky schrieb bereits mehrere Romane und Essays, arbeitet auch als Journalist und Übersetzer. Für seinen Lebensunterhalt arbeitete er zwei Jahre lang als "Bordmanager" auf einem amerikanischen Kreuzfahrtschiff auf der Donau. Erlebnisse mit den Passagieren der Luxusklasse im schroffen Gegensatz zur weniger luxuriösen Lebensweise der Crew fließen in den Roman ein und liefern das literarische Salz in der Suppe. Insgesamt aber spürt der Leser grenzenlose Bewunderung und Liebe zur Donau, im wahrsten Sinn des Wortes grenzenlos, da die Donau für zehn Länder eine Hauptader bildet, von unzähligen Nebenflüssen gespeist wird und endlos Geschichten erzählen könnte, die sie dann als Geschichte auf ihrem 2800 km langen Weg zum Schwarzen Meer trägt.
Eine klare Absage erteilt Michal Hvorecky in seinem Roman "Tod auf der Donau" dem Missbrauch der Kreuzfahrten zur Erwirtschaftung von Gewinn um jeden Preis, wobei es nicht wichtig ist, ob einer schon fast hundert Jahre alt und gebrechlich kaum die Stufen am Einstieg schafft. Hauptsache, er zahlt, und möglichst viel. Wo Mozart vor gerade mal drei Wochen gestorben ist, als man ein Konzert in Wien besucht und die Aufklärung der wahren Biografie nicht interessiert, wo Stalin ganz eindeutig während der Nazizeit die Juden in Bratislava vernichtet hat. Wichtig ist nur, dass die Fahrgäste den Service als "exzellent" beurteilen, Widerspruch des Personals ist da nicht hilfreich.
Eine Glanzleistung ist die Übersetzung des Buches aus dem Slowakischen ins Deutsche durch Michael Stavaric, der den Sprachwitz von Hvorecky wunderbar erfasst, die Zuhörer wie auch den Autor selbst begeistert. So ganz nebenbei spricht Hvorecky ebenfalls ein gutes Deutsch und kann wahrhaft exzellent vorlesen, diesmal ohne Anführungszeichen. Begeistert waren auch die Gäste des Kunstvereins aus Rotterdam, die bei den Treffen im Freundeskreis regelmäßig zwischen den Sprachen wechseln müssen.
Im weiteren Gespräch erwies sich Michal Hvorecky als einer, der die politische Landschaft in seinem Land sehr genau verfolgt und der sich in Debatten einmischt, unter anderem auch in die Flüchtlingspolitik. Mit 5 Millionen Einwohnern ist die Slowakei zwar ein sehr kleines Land in der EU, trotz allem hält Michal Hvorecky politische Verantwortung von Intelektuellen für unabdingbar.
Mit freundlicher Genehmigung von Sächsische Zeitung, Hoyerswerdaer Tageblatt