Unser höchstes Wirken ist Denken
Bettine von Arnim, geborene Brentano - ein Vortrag von Oberstudienrat Georg Drinnenberg aus Zwingenberg (Bergstraße) beim Hoyerswerdaer Kunstverein.
Bettine Brentano - wie Feuer und Magnetismus, unausstehlich und anziehend zugleich. Diese Aussage von Clemens Brentano über seine Schwester Bettine sieht Georg Drinnenberg als sehr zutreffend an und stellt sie seinem Vortrag als Leitgedanke voran.
Spannend und heiter erzählt er die Familiengeschichte der Brentanos vom Mittelalter bis in die Neuzeit und der Zuhörer erhält gleichzeitig ein wunderschönes Sittengemälde der Entwicklung in Deutschland von den mittelalterlichen Stadtstrukturen zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation, dem deutschen Bund bis hin zu Preußen.
Domenico Brentano, der Großvater des Vaters der Bettine von Arnim, hatte einst sein Handelshaus von Italien nach Frankfurt an den Main verlegt. Er wurde vermögend und seine Söhne und Enkel führten die Export- und Importgeschäfte erfolgreich weiter. Einer der Enkel, Pietro Antonio Brentano, wurde der Vater von Bettine. Pietro Antonio Brentano war drei Mal verheiratet und hatte insgesamt 20 Kinder. Seine zweite Ehefrau und Mutter der Bettine Brentano war Maximiliane von La Roche. Das riesige Vermögen des Pietro Antonio Brentano verhilft allen Kindern zu einer angemessenen Ausbildung und sichert sie auf Lebenszeit materiell ab.
Bettine wächst in dieser Großfamilie in einem entsprechend großen Haus in Frankfurt auf und erlebt dort eine ungemein lebendige Kindheit, die allerdings jäh endet, als die Mutter stirbt, da ist sie acht, kurze Zeit später stirbt auch der Vater, da ist sie elf. Sie wächst nun mit zwei weiteren Schwestern im Haus ihrer Großmutter auf, das ist Sophie von La Roch, die als erste freie Schriftstellerin große Berühmtheit erlangte mit ihrem Buch "Geschichte des Fräulein von Sternheim" und die Bettine Weltoffenheit, selbstbestimmtes Leben und Denken und Lust am Schreiben vermittelt. Jeder, der Bettine später begegnet, wird sie als geistvoll, schön und zierlich erleben, aber gleichzeitig auch als außerordentlich anstrengend und direkt. Die ihr begegnen, sind keine Geringeren als Goethes Mutter, Goethe selbst, Karoline von Günderode, die Brüder Grimm, Hermann Fürst von Pückler- Muskau und viele andere. Mit ihrem Buch "Die Günderode" setzt Bettine ihrer Freundin später ein liebevolles Denkmal.
Für Goethe schwärmt sie ein Leben lang, seine Büste steht bei ihr in allen Wohnungen, die sie je bewohnt. Gespräche mit der Frau Rat Goethe schreibt sie auf und macht sie zur Grundlage ihres Buches "Goethes Briefwechsel mit einem Kinde". Goethe wiederum lässt diese Erinnerungen in "Dichtung und Wahrheit" einfließen. Auch für ihn war Bettine auf Dauer zu selbstbewusst und zudringlich, obwohl er ihren wachen Geist und ihren lebendigen Schreibstil schätzte.
Einen guten Berater hatte sie in ihrem Bruder Clemens Brentano, der zusammen mit Achim von Arnim "Des Knaben Wunderhorn" herausgab. 1811 heiratet sie Achim von Arnim, zieht mit ihm auf sein Gut nach Wiepersdorf, verbringt aber die meiste Zeit in ihrer Stadtwohnung in Berlin und zieht hier sieben Kinder groß. Berlin bedeutet für sie geistreiche Gespräche im Salon der Varnhagens, wo sie auch Pückler begegnet und einen Briefwechsel mit ihm beginnt. Sie lernt Karl Marx kennen und Gottfried Kinkel, aber auch Robert Schumann und Johannes Brahms. Beethoven war sie schon früher in Wien begegnet.
Berlin ist aber auch der Preußische Staat und das Preußische Königtum, in dem neben Glanz und Wohlstand unsägliche Armut herrscht, die Bettine in ihrem Werk "Dieses Buch gehört dem König" 1843 öffentlich anprangert. Sie lässt als Fiktion Goethes Mutter im Gespräch mit der Königin Luise die Herrschenden in aller Deutlichkeit anklagen, dass sie für Missstände und Ungerechtigkeit im Land verantwortlich sind und fordert gerechtes Handeln gegenüber Arm und Reich. Dieses Buch schickt sie an den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. Als Anhang veröffentlicht sie den Bericht eines Schweizer Lehrers über die Berliner Armenhäuser. Zündstoff genug, so dass auch sie zeitweise ins unliebsame Visier der Macht gerät, denn sie wagt, als Frau selbständig zu denken und auch selbst zu handeln. Von Romantik ist also ist bei Bettine von Arnim entgegen ihrer heutigen literarischen Einordnung so viel nicht zu spüren, ist das Fazit von Georg Drinnenberg.
Bettine von Arnim stirbt 1859 in Berlin und wird in Wieperdorf begraben, wo noch heute ihr Grab neben dem ihres Mannes zu finden ist.
Viele berühmte Persönlichkeiten verzeichnet die Familie Brentano in ihren Reihen bis heute, nicht zuletzt Heinrich von Brentano, der von 1955 bis 1961 Außenminister der Bundesrepublik war.
Georg Drinnenberg ist ein farbenprächtiges Panorama der Historie gelungen, das er mit dem Leben der Bettine von Arnim verbindet. Zu vielem Bekannten fügt er eine Menge Unbekanntes hinzu, was sicher die Zuhörer zu neuerlichem Lesen ermuntert hat.