Verse und Prosazeilen aus geschichtsgefüllter Natur
Kito Lorenc lässt die Lausitz und das Sorbische in Worten lebendig werden.
„Der ist gut. Den müsst ihr holen“, empfahl einst Gerhard Wolf, der Mann von Christa Wolf, dem Kunstverein Hoyerswerda für eine seiner Lesungen. Die Hoyerswerdaer folgten dem Rat. Und das wiederholt: Jetzt war Kito Lorenc wieder im Schloss zu Gast; las Prosa und Lyrik. Lorenc wurde 1938 geboren als Christoph Lorenz. Er wuchs mit der deutschen Sprache auf, war des Sorbischen nicht mächtig. Das änderte sich, als er Jugendjahre in der (Ober)lausitz zubrachte; sich das Sorbische aneignete: zuerst das (dem Polnischen nähere) Niedersorbisch; dann das näher am Tschechischen und besonders Slowakischen seiende Obersorbisch. Er änderte seinen Namen und begann zu schreiben. Heute ist er der wohl bedeutendste sorbische Dichter; lebt im Herzen der Oberlausitz, in Wuischke am Fuße des Czorneboh, schreibt auf Obersorbisch und Deutsch.
„Die Poesie des Kito Lorenc, sie ist bestimmt, und grundiert, vom Ahnen“, schreibt Peter Handke im Vorwort zum 2013 bei Suhrkamp erschienenen LorencBand „Gedichte“. Lorenc benennt es bei seiner Lesung im Hoyerswerdaer Schloss so: „Die Landschaft ist geschichtsgefüllte Natur – und das ist mein Gegenstand.“ Das wird fühlbar in der Lyrik Lorenc’, etwa in der „Singenden Amsel“: Geflügeltes Herz „Als die steinerne Stadt / unter Sirenenrufen / ans Sonnenufer rollte / und Rauchopfer aufstiegen / ins Blau, früh, als ich heimkam / sah ich dich auf deinem Mast: / Gelbe Flöte schwarzes Herz – / es schwingt noch / das Mundstück aus Horn / vor der leis zitternden Säule zarter Luft. / Kleines bebendes Herz, glühst rötlich / durch dein schwarzes Gefieder, / geflügeltes Herz, / so zu singen / Angesicht in Angesicht: Sonne und Herz / Da flog sie auf: / Sing, sing du“.
Lorenc‘ Werk ist vielschichtig: Humorvoll, wenn er von seiner ersten Lesung berichtet – sie war ein grandioser Misserfolg, weil mit elend verhunztem Namen angekündigt. Handke'sche Ahnung, wenn er in „Lichtblick“ den Tagtraum vom „Unterland“ schildert, wo alle an einem Tisch sitzen: Einheimische, Fremde, Zugezogene, Durchreisende. Es fehlt nicht die Mahnung gegen naturvernichtende Tendenzen, Skepsis gegen all zu viel Technik- und Fortschrittsgläubigkeit. Und doch immer wieder Hoffnung: „Sind wir gestorben, treten die Bäume zurück in die Gemälde der Alten Meister – aber aus allen Rinden brechen Zweige.“ („Aus dem Tagebuch“). Illusionslos, wenn er berichtet, wenn einer heutzutage 500 Gedichtbände verkaufe, sei dies schon bemerkenswert. Und es gibt philosophische Lakonie, wenn er in einem Gedicht feststellt: „Nicht, was der Nichtstuer nicht schon nicht getan hätte ...“ Lorenc freilich ist das Gegenteil eines solchen Nichtstuers. Am Ende der Lesung hoffte er, in absehbarer Zeit wieder in Hoyerswerda zu sein. Das ist gewiss auch der Wunsch seiner Leser.