Schwarze Pumpe als größter Bauplatz des Kontinents im Wandel der DDR-Literatur, Vortrag von Maria Brosig - Potsdam beim Kunstverein.

Maria Brosig und Martin Schmidt

Wo immer der Mensch der Natur die Bodenschätze entnimmt, entstehen unausweichlich Widersprüche und Konflikte. Einer dieser spektakulären Schauplätze war ab 1955 das Kombinat „Schwarze Pumpe“ in der Lausitz. Kohlegewinnung, Kohleveredlung und Erzeugen von Energie wurden hier zum „Musterschauplatz“ oder auch zum „Schauplatzmuster“ der ehemaligen DDR. Die Industrialisierung dieser Prozesse wurde nicht nur als wirtschaftlicher Faktor betrachtet, sie wurde zur Ideologie, einer Ideologie, die das Lob der friedlichen Arbeit mit der Verbundenheit zum Staat dokumentierte und somit eine Euphorie der Arbeitenden beabsichtigte und auch erreichte. Man identifizierte sich mit dem Arbeitsprozess und dem Arbeitskollektiv ohne Unterschied in der Qualifikation der einzelnen.
Maria Brosig kommt von der Humboldt-Universität und ist dabei, in ihrer Doktorarbeit das „Schauplatzmuster Schwarze Pumpe“ und dessen Wandel in der Literatur zu durchleuchten. Ihre Analyse ist verblüffend, da sie diese Zeit aus eigenem Erleben nicht kennt. Sehr genau und feinfühlig hat sie das Wichtige herausgefiltert und in einer äußerst sachlichen und trotzdem gefühlsbetonten Sprache vorgetragen.
Ihre Einteilung in die Zeitabschnitte der 50/60-er, der 70-er und 80-er Jahre stellt tatsächlich unterschiedliche, gravierende Abschnitte in der Literatur dar, was den meisten vorher gar nicht so bewusst war. Interessant ist außerdem, dass der Ausgangspunkt ihrer Betrachtungen der Roman „Franziska Linkerhand“ von Brigitte Reimann war und das übrige Umfeld im Nachhinein sehr akribisch erkundet wurde.
Sie beginnt mit Günter Grass und endet mit Günter Grass und seinem Roman „Ein weites Feld“, indem sie einen Bogen spannt, vom Rand der Tagebaugrube als Synonym für Industrialisierung und Aufbruch bis hin zum politischen Abgrund der Wendezeit.
Die Romane der Anfangsjahre der DDR geben der Schönheit des Bauens und der damit verbundenen Aufbruchstimmung Raum, erwähnen aber auch bereits die Nachteile der gigantischen Industrialisierung. Stellvertretend hierfür werden Volker Braun, Brigitte Reimann, Heiner Müller, Peter Nell, Jupp Müller, Werner Schmoll, Heinrich Ernst Siegrist und Jurij Brèzan zitiert. Es gibt einen geistigen Dialog zwischen Schriftstellern und Arbeitern.
In den 70-er Jahren tritt ein spürbarer Wandel ein, die Stimmen werden kritischer oder verstummen ganz. Das Baugeschehen war zu sehr für ideologische Zwecke strapaziert worden, -Technikvisionen erwiesen sich als Trugbilder, darauf sind keine Preislieder zu machen - Zitat Herbert Köhler. Zu lesen ist hier erstmals auch von den verödeten Tagebaulandschaften und von den geopferten Dörfern. Zitiert werden Jurij Brèzan, Herbert Otto und Brigitte Reimann; Reimann, die in zunehmendem Maße in Distanz zur Gegenwart gerät, Rauch ist nicht mehr das Symbol des Fortschritts, Rauch trägt Schwefelgeruch in die Stadt.
Fortsetzung findet der Vorgang in den 80-er Jahren und danach mit Monika Maron, Jochen Laabs, Gert Neumann, Waltraud Skoddow und nicht zuletzt mit Günter Grass, denn wer die Augen ewig auf das Nichts richtet, der versteinert, lässt er Fonty als geistigen Vertreter Theodor Fontanes am Rand des unwirtlichen und naturfeindlichen Tagebaus sagen. Schwarze Pumpe und Hoyerswerda werden zum Stichwortgeber für geschundene Natur und für triste Stadtlandschaften. Der Aufbruch ist zum Abgrund geworden. Bleibt zu hoffen, dass auch für Hoyerswerda eine gewisse Normalität eintritt, die nicht zur Langeweile verkommt, sondern die neue schöpferische Ideen frei setzt.

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