Amen in crescendo und decrescendo
"Stabat mater" von Antonin Dvorák erklang in der Johanneskirche in Hoyerswerda.
Christi Mutter stand mit Schmerzen, stabat mater dolorosa, unter dem Kreuz. Es ist die Passionsgeschichte im Neuen Testament, die diesen Moment des Sterbens von Jesu erzählt, dem seine Mutter Maria unter dem Kreuz hilflos ausgeliefert ist. Im 14. Jahrhundert entstand dieses Gedicht, in Latein "Stabat mater", die Schmerzensmutter, die ein Teil der Marienverehrung in der katholischen Kirche wurde. Viele berühmte Komponisten neben Antonin Dvorák (1841-1904) haben dieses Gedicht aus unterschiedlichen Sichtweisen vertont.
Dvorák war in besonderem Maße sensibilisiert, als er im Jahr 1877 dieses Werk komponierte. Kurz nacheinander waren ihm drei Kinder gestorben und er sah die einzige Möglichkeit, mit dem Schmerz umzugehen, diesen in Musik umzuwandeln, um in der tiefsten Verzweiflung für sich und seine Frau Anna wieder Hoffnung zu schöpfen.
Im ersten Teil beginnt das Orchester mit einzelnen Instrumenten, wird laut und lauter, Solisten und Chor folgen klagend und schreiend, beinahe bis zur Ohnmacht, eine Ohnmacht, die Sprache und Zeitgefühl aufhebt und die sich auf die Zuhörer überträgt. Man glaubt, Dvorák hat hier allen Schmerz der Welt in eine Klangwelt verdichtet, die alles Vorstellbare übersteigt. Ein ergriffenes Innehalten von allen Musizierenden und Zuhörenden am Ende des Satzes war förmlich zu spüren.
Durch die Solisten, hervorragend vertreten durch Christiane Gebhardt, Kerstin Domrös, Gerald Hupach und Matthias Henneberg, wird eine Klage angestimmt über die Tränen Marias und über die Marter Jesu am Kreuz mit Dornen, Spott und Hohn, eine Klage, die keine Hoffnung mehr zulässt, das Orchester unterstreicht das mit leise verklingenden Tönen.
Doch allmählich wandeln sich die Aussagen des Textes in die Richtung des Hörenden, der mitschuldig ist an Tod, Kreuz und Sterben, der einen Fürsprecher braucht, der darum bittet, "Fac!", tu etwas, dass ich diese Qual ertragen kann.
Und ganz allmählich strahlt Hoffnung und Freude in der Musik auf, sie wird immer melodischer und strahlender bis zu einem "Amen", das alles bisher Gehörte in den Schatten stellt. Chor, Soli und Orchester singen und spielen das Amen abwechselnd lauter und leiser werdend, crescendo und decrescendo, immer wieder, bis es am Schluss leise und melodisch voller Hoffnung ausklingt.
In den Schatten gestellt hat diese Aufführung sicher auch alles Bisherige, was vom Hoyerswerdaer Oratorienchor unter Leitung von Johannes Leue gemeinsam mit dem Bachchor Görlitz unter dem sorgfältigen Dirigat von KMD Reinhard Seliger von großen Chorwerken in Hoyerswerda zu hören war. Durch die volle Besetzung der Neuen Lausitzer Philharmonie und die gut vorbereiteten Laienchöre wurde Dvoráks "Stabat mater" zu einer Aufführung der Extraklasse.
Mit freundlicher Genehmigung von Sächsische Zeitung, Hoyerswerdaer Tageblatt